Süddeutsche Zeitung

Impeachment:"Allen hier sollten diese Ereignisse Sorgen machen"

Lesezeit: 3 min

Von Alan Cassidy, Washington

Eine Botschafterin, die vom Präsidenten abberufen wird: Das ist an und für sich nichts Spektakuläres. Ein Präsident hat das Recht, Botschafter zu ernennen und abzusetzen, wie es ihm beliebt. Doch die Art und Weise, wie das im Fall von Marie Yovanovitch geschah, hat die 61-jährige Diplomatin ins Rampenlicht des Amtsenthebungsverfahrens gegen Donald Trump gerückt.

Yovanovitch war US-Botschafterin in der Ukraine, als sie im Frühling dieses Jahres überraschend nach Washington zurückbeordert wurde: Sie solle sich in den nächsten Flieger setzen, jetzt, sofort, nach 33 Jahren im diplomatischen Dienst. Schrecklich sei das gewesen, sagte Yovanovitch am Freitag vor dem Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses. Nicht nur für sie selbst: "Allen hier sollten diese Ereignisse Sorgen machen."

Yovanovitch erzählte von diesen Ereignissen im Longworth-Gebäude des Kapitols, dort, wo seit Mittwoch die Impeachment-Anhörungen durchgeführt werden. Sie war nach den Diplomaten Bill Taylor und George Kent die dritte Zeugin, die vom Kongress öffentlich befragt wurde.

Was die zentralen Vorwürfe gegen Trump in der Ukraine-Affäre betrifft, ist Yovanovitch nicht die wichtigste Zeugin: Sie war nicht mehr im Amt, als Trump im Sommer den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij dazu drängte, Ermittlungen gegen den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden aufzunehmen. Sie war auch nicht mehr im Amt, als Trump die Zahlung von US-Militärhilfe an die Ukraine blockierte und offenbar erst wieder freigeben wollte, nachdem Selenskij öffentlich eine Untersuchung gegen Biden ankündigte.

Und doch spielt die Tochter sowjetischer Flüchtlinge in der Ukraine-Affäre eine Rolle. An Yovanovitch, glauben die Demokraten, zeigt sich exemplarisch, wie Trump versuchte, den diplomatischen Apparat der USA zu unterlaufen, um eine alternative Außenpolitik zu betreiben. Eine Außenpolitik, die nicht das Interesse der USA zum Ziel hatte, sondern Trumps eigenen Profit, der darin bestehen sollte, einen seiner größten Rivalen zu diskreditieren.

Der Mann, der Trump dabei half, war sein persönlicher Anwalt Rudy Giuliani. Er zog in Washington eine Schmierenkampagne gegen Yovanovitch auf, die auf Trump Eindruck machte und schließlich damit endete, dass die Botschafterin zurück in die US-Hauptstadt beordert wurde. Bestritten wird das im Grunde von niemandem.

Über die Hintergründe dieser Kampagne berichtete Yovanovitch am Freitag mit sanfter, leiser Stimme. Gleich zu Beginn ihres Auftritts unterstrich Adam Schiff, der demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, dass Yovanovitch im US-Außenministerium höchstes Ansehen genoss und in Kiew bekannt war für ihre harte Haltung gegenüber der dort verbreiteten Korruption. "Zu hart" sei diese Haltung für korrupte Kreise in der Ukraine geworden, sagte Schiff: "Das hat ihr Feinde eingebracht."

In der Ukraine, aber auch im Umfeld Trumps mehrten sich Stimmen, die nach Yovanovitchs Absetzung riefen. Die wichtigste Stimme war Giuliani, der in der Ukraine monatelang auf eigene Faust nach Material gegen Biden und seinen Sohn Hunter suchte - und dafür die Dienste zweifelhafter Kreise in Anspruch nahm. Yovanovitch stand ihm dabei nur im Weg.

"Sie wird noch durch einige Dinge hindurchgehen müssen."

Sie sei immer noch "erstaunt", dass es diesen Kräften gelang, die Entlassung einer US-Botschafterin zu erwirken, sagte Yovanovitch. Das zeige, wie gefährdet Amerikas Diplomatie unter Trump sei: "Diplomaten werden herabgesetzt und untergraben, das Außenministerium wird von innen ausgehöhlt." Die Rufmordkampagne gegen sie habe viele ihrer Kollegen verstört.

Richtig bange sei ihr geworden, als sie Ende September das vom Weißen Haus veröffentlichte Transkript des Telefonats las, das Trump mit Selenskij geführt hatte. Darin hatte Trump Yovanovitch als "bad news" bezeichnet und gesagt: "Sie wird noch durch einige Dinge hindurchgehen müssen." Vom Chefjuristen der Demokraten im Kongress danach gefragt, sagte Yovanovitch: "Es klang für mich wie eine Drohung."

Und dann kam es im Saal zu einer denkwürdigen Szene. Noch während die Diplomatin die Fragen der Abgeordneten beantwortete, setzte Trump aus dem Weißen Haus einen Tweet ab, indem er sie direkt attackierte: "Überall, wo Marie Yovanovitch hinging, verschlechterte sich die Lage", schrieb er. So sei das in Somalia gewesen, wo sie einst stationiert war, und so sei es auch in der Ukraine gewesen. Schiff las Yovanovitch den Tweet vor, die Kameras fingen ein, wie sich ihre Lippen zu einem dünnen Lächeln verzogen, und Schiff schob nach: Was der Präsident da mache, sei "Zeugeneinschüchterung in Echtzeit".

Die Republikaner sehen das etwas anders. Ihm sei nicht klar, was Yovanovitch bei dieser Anhörung überhaupt mache, sagte Devin Nunes, der Wortführer der Partei im Ausschuss. Sie habe zu den wesentlichen Fragen nichts beizutragen. Das ist zwar nicht falsch, wenn man den Vorwurf des Machtmissbrauchs gegen Trump betrachtet. Doch es ändert nichts daran, dass die Republikaner den Aussagen Yovanovitchs nichts Substanzielles entgegenzusetzen hatten. Und das war wiederum ziemlich spektakulär.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2019
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