Süddeutsche Zeitung

CDU-Vorsitz:Helge Brauns Überraschungsteam: Jünger, weiblicher, bunter

Lesezeit: 3 min

Die Chancen des Noch-Kanzleramtsministers auf den CDU-Vorsitz gelten als mäßig. Doch mit seinem Team gelingt ihm ein Coup - und eine doppelte Spitze gegen Friedrich Merz.

Von Robert Roßmann, Berlin

Helge Braun war nicht der Schnellste, zumindest in diesem Wettbewerb. Norbert Röttgen hat sich bereits in der vorletzten Woche als Kandidat für den CDU-Vorsitz präsentiert, Friedrich Merz in der letzten. Doch Braun ließ sich Zeit. Die ersten scherzten bereits, er finde wohl niemanden für sein Team. An diesem Montag ist er dann aber doch noch in die Bundespressekonferenz gekommen - und dabei ist ihm eine Überraschung gelungen.

Braun hat es geschafft, gleich zwei profilierte Christdemokratinnen für sein Team zu gewinnen. Röttgen und Merz hatten bei ihrer Vorstellung nur je eine Frau präsentieren können - beide weitgehend unbekannt. Doch Braun erscheint mit Serap Güler und Nadine Schön.

Güler sitzt bereits seit neun Jahren im CDU-Bundesvorstand. Bisher war sie Integrationsstaatssekretärin in Nordrhein-Westfalen, seit der Wahl im September ist sie Bundestagsabgeordnete. Schön ist seit 2014 stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, sie ist eine der führenden Digitalpolitikerinnen der Partei. Trotz dieser Erfahrungen sind beide für CDU-Verhältnisse noch jung. Schön ist 38 Jahre alt, Güler 41. Beide sind damit eine Generation jünger als das durchschnittliche CDU-Mitglied. Wenn er Parteichef werde, solle Güler Generalsekretärin werden, sagt Braun, Schön Leiterin der Programm- und Strukturentwicklung der CDU.

Braun ist 49 - und damit der jüngste der drei Kandidaten für den Parteivorsitz

Der frühere Generalsekretär Peter Tauber hatte in seiner Amtszeit einmal erklärt, die CDU müsse jünger, weiblicher und bunter werden. Braun will jetzt dafür sorgen, dass das zumindest für Teile der Parteispitze gilt. Er selbst ist 49 Jahre alt - und damit der jüngste der drei Kandidaten für den Parteivorsitz.

Braun hat aber auch mit den größten Vorbehalten zu kämpfen. Der geschäftsführende Kanzleramtsminister gilt als Regierungspolitiker - und das in einer Zeit, in der sich viele in der CDU wieder einen Parteimann an der Spitze wünschen. Nach acht Jahren im Kanzleramt halten ihn viele für einen Mann Merkels, von dem man nicht viel "CDU pur" erwarten könne. Vor allem aber muss Braun damit kämpfen, dass kaum einer weiß, was er denn genau will. Merz und Röttgen sind bereits bei der letzten Wahl zum CDU-Chef angetreten, haben deshalb viele Vorstellungsrunden hinter sich und sind seit Langem sehr präsent.

Und so versucht Braun in der Bundespressekonferenz zunächst einmal zu erklären, wofür er steht. Braun sagt, die CDU brauche eine "grundlegende Erneuerung in den Köpfen, grundlegende Erneuerung in den Inhalten und auch eine grundlegende Erneuerung in der Organisation". Es müsse wieder interessant sein, zur CDU zu kommen. Um Wahlen zu gewinnen, müsse die Partei attraktiv für breite Schichten der Gesellschaft sein, sie müsse "bodenständig" und "bürgernah" sein. Die CDU müsse dafür sorgen, dass alle ihre Wurzeln wieder als gleichwertig wahrgenommen werden. In den vergangenen Jahren hätten sich die Konservativen nicht ausreichend wahrgenommen gefühlt, man habe im Wahlkampf aber auch das Soziale vernachlässigt.

"Aus meiner Sicht muss die CDU immer für die hart arbeitende Bevölkerung mit ihren Alltagssorgen da sein", sagt Braun. Dabei gehe es um Fragen wie die Sicherheit des Arbeitsplatzes, der Altersversorgung und der Wohnung - also auch um das Thema Mieten. All das müssten "Herzensanliegen" der CDU sein. Und da müsse man "klare und einfache Antworten darauf haben". Es sollten künftig aber auch die konservativen Wurzeln der CDU "hinreichend deutlich" werden. Das betreffe zum Beispiel die innere Sicherheit und den Kampf gegen organisierte Kriminalität, Terrorismus und Extremismus.

Frauen nur in Stellvertreter-Rollen? Das könne er sich "für eine Partei im Jahr 2022 nicht mehr vorstellen"

Er wolle ein Vorsitzender sein, der auch anderen Platz lasse, sagt Braun. Wenn es nach ihm geht, soll deshalb Ralph Brinkhaus Chef der Unionsfraktion bleiben. Merz dagegen hatte nicht ausgeschlossen, selbst nach diesem Amt greifen zu wollen.

Braun sagt, in der Opposition gebe es für die CDU nur noch drei Machtpositionen - und meint damit den Parteivorsitz, den Fraktionsvorsitz und das Amt des Generalsekretärs. "In allen drei Positionen Frauen auf Stellvertreter-Rollen zu verweisen", könne er sich "für eine Partei im Jahr 2022 nicht mehr vorstellen". Auch das war eine Spitze gegen Merz, der Christina Stumpp - die Frau in seinem Team - lediglich zur stellvertretenden Generalsekretärin machen will.

Trotzdem gelten Merz und Röttgen - er will die Hamburger Bundestagsabgeordnete Franziska Hoppermann als Generalsekretärin - bisher noch als die aussichtsreicheren Kandidaten für den CDU-Vorsitz. Aber "wer nicht kämpft, hat schon verloren", sagt Serap Güler bei ihrer Vorstellung.

Und auch Braun macht nicht den Eindruck, dass er sich nur als Zählkandidaten sieht. Er erlaubt sich sogar einen Scherz auf Kosten von Merz. "Schönen guten Tag, auch im Namen von Serap Güler und Nadine Schön, hier in Ostberlin", sagt Braun am Beginn seines Auftritts. Das ist richtig, der Saal liegt im Gebiet der ehemaligen DDR. Aber es ist auch eine kleine Gehässigkeit. Denn Merz hatte seine Präsentation in der vergangenen Woche ebenfalls mit einem hier "in Ostberlin" eröffnet. Seine Vorstellung war aber im Westteil der Stadt. Merz hatte für seinen Lapsus schon damals viel Spott ertragen müssen, jetzt hat Braun mit seinem subtilen Witz noch einmal daran erinnert. Auch das war eine Kampfansage.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5470690
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.