Süddeutsche Zeitung

Grüne:Macht Özdemir jetzt auf Kanzlerkandidat?

Lesezeit: 2 min

Von Thorsten Denkler, Berlin

Mangelndes Selbstbewusstsein jedenfalls kann Parteichef Cem Özdemir nicht unterstellt werden. Er will für die Grünen antreten. Und zwar als Spitzenkandidat seiner Partei für die Bundestagswahl 2017. Verkündet hat er den Schritt in der ARD. Auf Twitter hat er dafür schon einen Hashtag etabliert: #cem2017.

Dazu ein Selbstwerbevideo, das dem erfolgreichen Wahlvideo von Winfried Kretschmann aus dem Baden-Württemberg-Wahlkampf in nichts nachsteht. Zumindest wenn es um die Gemütlichkeit der neuen grünen Bürgerlichen geht. Özdemir vor Bilderbuch-Fachwerkhäuser und im Bioladen.

Wer es nicht besser weiß, der könnte auf die Idee kommen, Özdemir bewerbe sich gar nicht um die Position eines Spitzenkandidaten, sondern gleich um die Kanzlerkandidatur.

Özdemir hat sich also endlich erklärt. Vor gut einem Jahr war bereits Robert Habeck vorgeprescht, der umtriebige grüne Landwirtschaftsminister aus Schleswig-Holstein. Dessen Kandidatur galt als Überraschung, die von Özdemir war erwartet worden. Und so steht nun die grüne Parteibasis, die im Herbst in einer Urabstimmung über die Kandidatenfrage entscheiden muss, vor einer schwierigen Wahl.

Özdemir gehört zum Realo-Flügel. Schwarz-Grün wäre mit ihm machbar. Ihm schwebt eine Partei vor, die sich ähnlich pragmatisch aufstellt wie die Kretschmann-Grünen in seiner schwäbischen Heimat. Die so mehr als 30 Prozent der Stimmen geholt hat und sich jetzt anschickt, das Bundesland für weitere fünf Jahre zu regieren - mit der CDU als Juniorpartner.

Habeck stellt sich da nicht so klar auf. Manchen gilt er als Realo im linken Flügel der Partei, anderen als Linker unter den Realos im rechten Flügel. Darum könnte er der Kandidat sein, der die zum Teil verkrusteten Strukturen in der Partei- und Fraktionsspitze aufzubrechen vermag.

Mit im Spiel ist auch Fraktionschef Anton Hofreiter - ein klassischer Vertreter des linken Parteiflügels. Ginge es nach dem üblichen Proporz - Realo und Fundi; Mann und Frau -, wäre Hofreiter gesetzt. Denn als einzige Frau hat sich mit Katrin Göring-Eckardt bisher seine Co-Fraktionsvorsitzende aus dem Realo-Lager als Kandidatin für die Spitzenkandidatur empfohlen. Aber: Nach dem üblichen Proporz geht es diesmal wohl nicht.

Göring-Eckardt dürfte die Kandidatur kaum zu nehmen sein. Gegenkandidatinnen fehlen bislang. Und die, die in Frage kämen, dürften gegen die erfahrene Fraktionschefin wenig Chancen haben. Sie war schon 2013 Spitzenkandidatin und macht ihren Job gut, wenn auch zu oft unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Aber das hat sie mit dem grünen Spitzenpersonal insgesamt gemein.

Natürlicherweise könnte sich Parteichefin Simone Peter noch zu den Kandidaten gesellen. Sie gehört wie Hofreiter zum linken Flügel. Aber selbst unter Linken gilt ihre Performance im Amt der Parteivorsitzenden als eher schwach. Sie wirke eben mehr nach innen, sagen die, die es gut mit ihr meinen. Eine Bundestagswahl aber verlangt eine klare Außenwirkung.

Wie die Urwahl ausgehen wird, ist völlig offen, zumal sich noch weitere Kandidaten melden könnten. Außerdem sind die Grünen bei den Urwahlen grundsätzlich unberechenbar: 2013 etwa landete die damalige Parteichefin Claudia Roth mit knapp 26 Prozent der Stimmen nur unter ferner liefen.

Die Bewerbung um die Spitzenkandidatur ist also durchaus mit Risiken verbunden. Wer hier eine Klatsche bekommt, braucht sich um Spitzenämter in einer etwaigen Regierung mit grüner Beteiligung nicht mehr ernsthaft bemühen.

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