Süddeutsche Zeitung

Robert Habeck:Jetzt mal ehrlich

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Grünen-Co-Chef Habeck spricht über die Schmerzen, die es ihm bereitet, nicht Kanzlerkandidat geworden zu sein. Das ist ungewöhnlich und mutig - aber wird es auch honoriert?

Von Constanze von Bullion

Es soll jetzt alles anders werden, jedenfalls wenn es nach den Grünen geht. Die Partei will nicht nur die Inhalte der Politik, sondern auch Stil und Haltung der Mächtigen einer Erneuerung unterziehen, hin zu mehr Aufrichtigkeit. Co-Parteichef Robert Habeck hat schon mal angefangen, genauer gesagt: Er hat es versucht. Kurz nachdem bekannt gegeben wurde, dass die Parteivorsitzende Annalena Baerbock Kanzlerkandidatin wird, gab er der Zeit ein Interview. Sein Gegenstand: der Schmerz. Die Folge: ein Hagelschlag von Häme, hie und da aber auch Respekt.

Denn Habeck hat getan, was unüblich ist in der Politik und in der Regel nicht belohnt wird: erst als Mann eine Frau an sich vorbeilassen auf einen Spitzenposten - und dann auch noch zugeben, wie weh das tat. Der Tag der Entscheidung sei "der schmerzhafteste" seiner politischen Laufbahn gewesen, sagte Habeck im Interview. Er habe Jahre damit verbracht, den Grünen solche Machtperspektiven zu verschaffen. "Nichts wollte ich mehr, als dieser Republik als Kanzler zu dienen. Und das werde ich nach diesem Wahlkampf nicht." Das sei eine "persönliche Niederlage" für ihn.

Ein Aufschrei war das, der aufhorchen lässt. Denn die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur verlief offenbar keineswegs so einvernehmlich, wie die Grünen vorher glauben machen wollten. So wie es klingt, musste Baerbock sich proaktiv durchsetzen gegen Habeck, mal wieder. Denn Frauenstatut hin oder her, auch bei den Grünen haben männliche Kandidaten es immer wieder verstanden, sich im entscheidenden Moment nach vorne zu drängen. Dass es diesmal anders kam, dürfte Baerbocks stärkerer Position geschuldet sein und ihrem Machtwillen. Habeck ließ sie, notgedrungen, verzichtet hat er nicht. Denn verzichten kann man nur auf Dinge, über die man bereits verfügt.

Robert Habeck, der lange als größter Hoffnungsträger seiner Partei galt und sich selbst offenbar auch als solchen betrachtete, hat die Entscheidung nun als "Niederlage" markiert. Das kann man umso erstaunlicher finden, als ihm weit über das grünen Milieu hinaus Respekt gezollt worden war für die Entscheidung, nicht die Ellenbogen auszufahren. Der Grüne hatte geschafft, was die Schwarzen Söder und Laschet nur unter Verwüstung ihres gesamten politischen Mobiliars bewerkstelligten: eine Lösung zu finden, bei der einer sich zurücknimmt. Der neue grüne Stil, hier wurde er manifest, und er ließ Mitbewerber nicht gut aussehen.

Nur dass Habeck jetzt eben noch einen draufgesetzt hat und der Welt zur Kenntnis gab, wie hart ihn die Sache traf. Das kann man mutig finden. Ein Mann, der so viel Verwundbarkeit zeigt, weckt Sympathie und auch Neugier, weil er das herkömmliche Männerbild infrage stellt. Nur dass es bei Zuspruch eben nicht bleibt. Der Grünen-Chef hätte eben kämpfen müssen wie ein Kerl, spotten die einen. Andere verweisen auf Figuren wie Andrea Nahles, die nach ihrem Rücktritt als SPD-Vorsitzende darauf verzichtet habe, ihre Qualen auf großer Bühne vorzutragen. Heulsuse Habeck, larmoyant, so geht das jetzt in sozialen Medien. An Gehässigkeit fehlt es da nicht. Aber das wäre vermutlich nicht anders, stünde Habeck jetzt bei den Grünen auf Platz eins.

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