Süddeutsche Zeitung

Greta Thunberg:Gretas Fluch

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Von Christian Zaschke, New York

UN-Generalsekretär António Guterres hat am Montag den Klimagipfel der Vereinten Nationen in New York mit dramatischen Worten eröffnet. Er zeichnete das Bild einer Erde in höchster Gefahr, und er verlangte von der Weltgemeinschaft, nun endlich zu handeln. "Die Natur ist wütend", sagte Guterres, "und wir können die Natur nicht täuschen".

Der Klimaschutz ist zum großen Thema des Generalsekretärs geworden. Wiederholt ist er in den vergangenen Monaten in Krisengebiete gereist, um sich selbst ein Bild von den Gefahren und den Verheerungen zu machen. Zuletzt war er auf den Bahamas, die vom Hurrikan Dorian heimgesucht worden waren. Was er dort sah, beschrieb er als "apokalyptisch". Im Mai war Guterres nach Tuvalu gereist.

"Dort habe ich ein ganzes Volk gesehen, das um seine Existenz kämpft", sagte er den Zuhörern in New York. Danach reiste er nach Mosambik, das mit den Folgen zweier Zyklone zu kämpfen hatte. "Wir sehen dort unsere Zukunft, wenn wir nicht handeln", sagte Guterres. Er verwies darauf, dass die vergangenen fünf Jahre die heißesten seit Beginn der Aufzeichnungen waren. "Die immer wärmer werdende Erde ruft uns zu: Hört auf!", sagte Guterres.

Keinen Zweifel ließ er daran, dass die Klimakrise vom Menschen gemacht ist. "Der Klimawandel wird von uns verursacht", sagt er, "und wir sind es, die ihn stoppen müssen". Das ließ sich als Botschaft an US-Präsident Donald Trump lesen, der bisweilen äußert, zwar gebe es durchaus einen Klimawandel, es sei aber keinesfalls sicher, dass dieser durch menschlichen Einfluss ausgelöst worden sei.

Trump weilt bereits seit Sonntagabend in New York, er wird an diesem Dienstag zum Beginn der UN-Generalversammlung sprechen. Ansonsten nutzt er die Zeit in seiner Heimatstadt vorwiegend, um Geld für die Kampagne zu seiner Wiederwahl im Jahr 2020 einzusammeln.

Mit zitternder Stimme betont Thunberg, ihr sei die Kindheit gestohlen worden

Nach Guterres sprach am Montag auch die 16 Jahre alte schwedische Aktivistin Greta Thunberg. Sie hielt eine emotionale, eine wütende Ansprache. Das war insoweit ungewöhnlich, als Thunberg normalerweise recht nüchtern die Fakten referiert. Gefragt, was ihre Botschaft an die versammelten Staats- und Regierungschefs sei, sagte sie: "Meine Botschaft ist, dass wir euch genau beobachten." Über diese Bemerkung lachte das Publikum, aber Thunberg meinte es bitterernst. Mit zitternder Stimme sagte sie: "Ihr habt mit euren leeren Worten meine Kindheit gestohlen. Ich sollte nicht hier sein, ich sollte in der Schule sein, auf der anderen Seite des Atlantiks." Den Delegierten gab sie mit auf den Weg, dass die Augen der Jugend und aller künftigen Generationen auf sie gerichtet seien. "Wenn ihr nichts tut", sagte Thunberg, "werden wir euch niemals vergeben." Es klang beinahe wie ein Fluch.

Im Anschluss sprachen verschiedene Staats- und Regierungschefs. Guterres hatte als Regel ausgegeben, dass nur auftreten darf, wer konkrete Vorhaben zum Klimaschutz präsentiert. Neben Bundeskanzlerin Angela Merkel sprachen unter anderem der indische Premierminister Narendra Modi und der französische Präsident Emmanuel Macron - der die Drei-Minuten-Vorgabe für Wortbeiträge sehr gelassen ignorierte. Am Rande des Gipfels wurde bekannt, dass eine amerikanische Anwaltskanzlei am Montag im Namen von Greta Thunberg und 15 weiteren Jugendlichen eine Menschenrechtsbeschwerde zum Klimawandel bei den Vereinten Nationen eingereicht hat. Die Beschwerde betrifft auch Deutschland. Darin heißt es, Ländern wie Argentinien, Brasilien, Deutschland, Frankreich und der Türkei gelinge es nicht, ihre Emissionen zu reduzieren, obwohl sie bereits seit Jahrzehnten um die Risiken des Klimawandels wüssten. Ohne die Führung dieser Länder könnten die globalen Bemühungen zur Lösung der Klimakrise nicht gelingen.

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Quelle:
SZ vom 24.09.2019
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