Süddeutsche Zeitung

Lützerath:Thunberg kritisiert die Grünen

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Dass die Partei mit RWE Kompromisse schließe, zeige, "wo ihre Prioritäten liegen", urteilt die Klimaaktivistin. Zu der Kraterlandschaft des Braunkohlereviers sagt sie: "Es sieht wirklich aus wie Mordor."

Greta Thunberg hat die deutschen Grünen wegen ihrer Unterstützung für den Abriss von Lützerath und das Abbaggern der unter dem Dorf liegenden Kohle kritisiert. Konzerne wie RWE müsse man eigentlich dafür zur Rechenschaft ziehen, wie sie mit Menschen umgingen. "Dass die Grünen mit solchen Unternehmen Kompromisse schließen, zeigt, wo ihre Prioritäten liegen", sagte die schwedische Klimaaktivistin der Deutschen Presse-Agentur. Sie selbst sei nie mit einer grünen Partei verbunden gewesen.

Führende grüne Politiker wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und seine NRW-Kollegin Mona Neubaur verteidigen den Abriss von Lützerath damit, dass die darunter liegende Kohle zur Aufrechterhaltung der Energiesicherheit in der derzeitigen Krise gebraucht werde. Thunberg sagte dazu: "Die Kohle, die hier im Boden ist, wird die Preise nicht sofort senken. Wer so denkt, hat einfach keinen Bezug zur Realität."

Die 20-Jährige ist nach Deutschland gekommen, um den Protest gegen die Räumung und den Abriss von Lützerath zu unterstützen. "Ich bin hier schon früher gewesen, und da sah es noch völlig anders aus", sagte sie. "Es ist sehr traurig das zu sehen. Es ist jetzt ein ganz anderer Ort." Zu der Kraterlandschaft des rheinischen Braunkohlereviers sagte sie: "Es sieht wirklich aus wie Mordor. Es zeigt, wozu Menschen unter den falschen Bedingungen fähig sind. Es zeigt, wogegen wir kämpfen, was wir verhindern wollen." In Tolkiens Roman "Herr der Ringe" ist Mordor das Reich und die Basis des bösen Sauron.

Bei einer Kundgebung demonstrieren heute in der Nähe von Lützerath Tausende Menschen gegen den Braunkohleabbau. SZ-Korrespondenten in Nordrhein-Westfalen berichten von zahlreichen Autos und Bussen aus verschiedenen Städten, auch aus anderen Bundesländern und den Niederlanden. Im Bahnverkehr in der Region kam es wegen der vielen Anreisenden teils zu Verzögerungen, bestätigte die DB Regio via Twitter.

Viele Demonstranten machen Musik, andere zünden rote und grüne Bengalos. Sie laufen auf ihrem Weg meist an leerstehenden Häusern vorbei. Lützeraths Nachbarort Keyenberg sollte nach alten Plänen zum Kohleabbau bereits 2022 abgebaggert werden. Die große Mehrheit der Bevölkerung hat den Ort bereits verlassen und die meisten Häuser wurden von ihren Besitzern an RWE verkauft. Der neue Kohlekompromiss, der fünf Dörfer in der Gegend rettet, sieht unter anderem vor, dass die früheren Besitzer ihr Eigentum zurück kaufen können.

Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach warnte vor Versuchen, nach Lützerath oder in den Tagebau Garzweiler II einzudringen. In den sozialen Netzwerken habe es immer wieder Aufrufe gegeben, im Rahmen der Demo nach Lützerath oder in den Tagebau "durchzubrechen", sagte er. "Das werden wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern. Ich kann nur hoffen, dass es dazu nicht kommt, denn sonst werden wir sehr unschöne Bilder haben."

Die Polizei erklärte, das Tagebauvorfeld sowie die Abbruchkante seien insbesondere durch den Regen der vergangenen Tage gefährlich. "Hier besteht akute Abrutschgefahr", schrieben die Einsatzkräfte bei Twitter.

Polizei will Aktivisten von den Bäumen holen

In Lützerath macht die Polizei derweil mit der Räumung weiter. Seit Beginn der Aktion brachten Einsatzkräfte in dieser Woche nach Polizeiangaben etwa 470 Aktivisten aus der besetzten Ortschaft, davon hätten 320 Menschen das Gelände freiwillig verlassen. Die Nacht zum Samstag sei "ruhig" verlaufen, es habe keine Zwischenfälle gegeben, sagte ein Polizeisprecher. Aktivisten in Baumhäusern weckten sich am frühen Samstagmorgen gegenseitig mit Rufen, wie ein dpa-Reporter berichtete. Es gebe noch etwa 15 "Strukturen" der Klimaaktivisten, darunter Baumhäuser und Verschläge, sagte ein Sprecher der Einsatzkräfte: "Oberirdisch sind wir so gut wie durch." Eine dpa-Reporterin berichtete, dass Einsatzkräfte auf Bäume geklettert seien, auf denen Menschen ausharrten. Eine Aktivistin sei später heruntergeholt worden.

Nach Angaben des Energiekonzerns RWE laufen zudem Vorbereitungen, um zwei Aktivisten aus einem Tunnel zu holen. Laut Polizei ist der Einsatz an dem Tunnel übergeben worden. Es handle sich um eine "Rettung", die nun in den Händen von RWE und THW liege, sagte ein Polizeisprecher. "Wir gehen davon aus, dass es ihnen gut geht", sagte Bente Opitz von der Initiative "Lützerath lebt". Die Aktivisten hätten genug zu Essen und könnten mehrere Tage in dem Tunnel ausharren.

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