Süddeutsche Zeitung

Wirtschaftsministerium:"Ein Fehler zu viel" ist laut Habeck Grund für Graichens Rücktritt

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Wegen der sogenannten Trauzeugen-Affäre soll der Staatssekretär in den vorgezogenen Ruhestand versetzt werden, sagt der Minister. Er verweist auf neue Ungereimtheiten und konkret einen Verstoß gegen interne Compliance-Regeln.

Von Nadja Lissok

Der umstrittene Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen muss seinen Posten räumen. Das erfuhr die Süddeutsche Zeitung am Mittwoch, zuerst berichtete der Spiegel darüber. In einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz erklärte Wirtschaftsminister Robert Habeck, dies sei am Dienstagabend in einem gemeinsamen Gespräch entschieden worden. Habeck verwies auf neue Ungereimtheiten und konkret einen Verstoß gegen interne Compliance-Regeln. In einem Fall geht es um die geplante finanzielle Förderung eines Projekts des BUND-Landesverbands Berlin, in dessen Vorstand die Schwester Graichens ist. Der zweite Fall betrifft die Besetzung eines Gremiums.

"Patrick Graichen hat sich zu angreifbar gemacht", sagt der Wirtschaftsminister. "Das war der eine Fehler zu viel." Er und Graichen hätten gemeinsam entschieden, dass der Staatssekretär seinen Posten aufgibt. Graichen soll nun in den vorgezogenen Ruhestand versetzt werden. Eine Nachfolge solle so schnell wie möglich gefunden werden, so Habeck, idealerweise noch vor der parlamentarischen Sommerpause.

Der Mitarbeiter von Bundeswirtschaftsminister Habeck (beide Grüne) war in die Kritik geraten. Dem Top-Beamten wurde vorgeworfen, als Mitglied einer Findungskommission gemeinsam mit drei Kollegen den ehemaligen Politiker und Klimaschützer Michael Schäfer als neuen Dena-Chef vorgeschlagen zu haben, ohne darauf hinzuweisen, dass dieser vor mehr als zwei Jahrzehnten Graichens Trauzeuge gewesen war. Schäfer ist bereits von seinem Vertrag zurückgetreten und hat den neuen Job gar nicht erst angetreten.

Aufträge und Zuwendungen an Umweltorganisationen veröffentlicht

Bei einer Anhörung im Bundestag in der vergangenen Woche sagte Graichen, er habe im Verfahren um die Neubesetzung des Geschäftsführerpostens bei der Dena einen Fehler gemacht, den er sehr bedauere. Auch sein Dienstherr Habeck war zu dieser Sitzung geladen und stärkte seinem Mitarbeiter öffentlich den Rücken. Er habe entschieden, "dass Patrick Graichen wegen dieses Fehlers nicht gehen muss". Vertreter der Opposition hatten hingegen wiederholt den Rauswurf des Staatssekretärs gefordert.

Kritik gab es auch da schon an weiteren personellen Verflechtungen: Patrick Graichens Schwester Verena und sein Bruder Jakob arbeiten für das Freiburger Öko-Institut, eine private Forschungseinrichtung, bei der die Bundesregierung regelmäßig Gutachten bestellt. Graichens Schwester ist zudem mit einem Staatssekretärskollegen ihres Bruders verheiratet. Um den Vorwurf der Vetternwirtschaft zu entkräften, veröffentlichte das Wirtschaftsministerium Listen mit Aufträgen und Zuwendungen an die Umweltschutzorganisation BUND, die Denkfabrik Agora Energiewende und das Öko-Institut.

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