Nach Vorwürfen der Vetternwirtschaft wird sich der Grünen-Politiker Michael Schäfer nach einem Medienbericht von seinem Vertrag als designierter Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur (Dena) zurückziehen. Damit wird in der Filz-Affäre in Robert Habecks Wirtschaftsministerium die erste personelle Konsequenz gezogen. Zuerst hatte die Bild von dem Rückzug Schäfers noch vor Jobstart berichtet. Er sollte sein Amt eigentlich zum 15. Juni antreten.
Schäfer war erst im April zum neuen Dena-Chef berufen worden. An seiner Auswahl war unter anderem Habeck-Staatssekretär Patrick Graichen beteiligt. Der Auslöser der heftigen Kritik: Michael Schäfer war vor Jahren Graichens Trauzeuge.
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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Graichen werden an diesem Mittwoch von Abgeordneten zur Personalpolitik des Ministeriums befragt. Voraussichtlich werden beide ab 12 Uhr in einer gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse für Wirtschaft sowie Klimaschutz und Energie sprechen, auch wenn die endgültigen Entscheidungen zum Ablauf erst am Mittwochmorgen in den jeweiligen Ausschüssen fallen sollen. Der CDU-Abgeordnete Tilman Kuban sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Das Wirtschaftsministerium muss Hüter der sozialen Marktwirtschaft sein und darf nicht den Anschein eines grünen Selbstbedienungsladens erwecken."
Wirtschaftsminister Habeck habe stets betont, sich gegen jede Form von Korruption und für Transparenz einzusetzen, so der Wirtschaftspolitiker weiter. "Dabei werden wir ihn auch weiterhin unterstützen und ihm helfen, die Vorgänge in seinem Ministerium aufzuklären. Ich hoffe, dass Patrick Graichen es schafft, die im Raum stehenden Anschuldigungen auszuräumen."
Nachdem Graichen Habeck darüber informiert hatte, dass Schäfer sein Trauzeuge war, sprechen sowohl Habeck als auch Graichen von einem Fehler, dass Graichen dennoch als Mitglied der Findungskommission fungierte, die Schäfer für den Posten vorgeschlagen hatte.
Der Bundeswirtschaftsminister hatte zudem eingeräumt, dass die Debatte über Personalverflechtung rund um seinen Staatssekretär Patrick Graichen für ihn und das Ministerium eine Belastung sind. "Für den Fehler zahlt Patrick Graichen jetzt schon einen hohen öffentlichen Preis - wir alle", sagte der Grünen-Politiker am Sonntag im Deutschlandfunk. "Aber die Substanz des Fehlers konnte noch korrigiert werden", fügte er mit Hinweis auf die erneute Ausschreibung für den Chefposten der Energieagentur Dena hinzu.
Kritik an weiteren familiären Verstrickungen Graichens
FDP-Vize Wolfgang Kubicki legte Habeck bereits vergangene Woche eine Entlassung Graichens nahe. "Dass Patrick Graichen ohne Wissen des Ministers seinen Trauzeugen zum Chef der Dena gemacht hat, hätte in anderen persönlichen und familiären Konstellationen unweigerlich die Entlassung zur Folge gehabt", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Dass Habeck nicht den Mut aufbringt, Konsequenzen zu ziehen, macht ihn selbst zur Zielscheibe politischer Attacken."
Kritik gibt es außerdem an personellen Verflechtungen im Wirtschaftsministerium. Patrick Graichens Schwester Verena, verheiratet mit dessen Staatssekretärskollegen Michael Kellner, arbeitet wie auch der Bruder Jakob beim Öko-Institut - einer Forschungseinrichtung, die Aufträge vom Bund bekommt. Das Wirtschaftsministerium hatte am Freitag Details zu den Verflechtungen mit dem Institut veröffentlicht.
Das Ministerium betont allerdings, Kellner und Graichen seien nicht an Ausschreibungen beteiligt gewesen, auf die sich das Öko-Institut hätte bewerben können. Um den Vorwurf der Vetternwirtschaft zu entkräften, veröffentlichte das Wirtschaftsministerium am Dienstag Listen mit Aufträgen und Zuwendungen an die Umweltschutzorganisation BUND, die Denkfabrik Agora Energiewende und das Öko-Institut. Daraus geht zumindest hervor, dass es bereits vor dem Amtsantritt der Ampel-Regierung Ende 2021 diverse Aufträge und Zahlungen an diese drei Organisationen gab.
So wurden Agora Energiewende unter dem damaligen CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier für drei Projekte insgesamt rund 4,6 Millionen Euro bewilligt. Die BUND-Jugend bekam im Oktober 2020 mehr als 800 000 Euro für die Klimakonferenz "Local Conference of Youth" zugesprochen, und dem Öko-Institut wurden zur Analyse und Bewertung von Klimamaßnahmen und Förderprogrammen seit 2019 sogar knapp 6,5 Millionen Euro zuerkannt. Die Vollständigkeit dieser Listen ist allerdings nicht überprüfbar.
Auch das Öko-Institut selber äußerte sich am Dienstag und betonte, dass man schon seit Jahren Aufträge und Zuwendungen von verschiedenen Bundesregierungen erhalte - "von Ministerinnen und Ministern der CDU und der CSU, der SPD, der FDP und der Grünen".