Süddeutsche Zeitung

Friedensnobelpreis für Obama:Ein Preis für schöne Reden

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Den Nobelpreis hat US-Präsident Obama für seine Ansprachen gewonnen. Jetzt muss er in einer solchen erklären, wie der Frieden und der Afghanistan-Einsatz zusammenpassen.

Barbara Vorsamer

Wieder mal hofft Barack Obama auf Rettung durch Rhetorik. In einer Rede muss der US-Präsident einen großen Widerspruch auflösen - zwischen den blutigen Kriegen, die er im Irak und in Afghanistan führt, und dem Friedensnobelpreis, den er am heutigen Donnerstag in Oslo erhält.

Der Mann, der als erster schwarzer Präsident Amerikas in die Geschichte eingehen wird, hat selbst zwiespältige Gefühle angesichts der Preisverleihung. "Er versteht und akzeptiert, dass er nicht in die gleiche Kategorie wie Mandela und Mutter Teresa gehört", sagt sein Sprecher Robert Gibbs mit Blick auf die Liste der bisherigen Preisträger. Bescheiden und auch ein bisschen unangenehm berührt gab sich Obama bereits nach der Bekanntgabe: Er sei sich nicht sicher, ob er es verdiene, mit anderen Preisträgern in einem Atemzug genannt zu werden, sagte der Regierungschef damals.

Es hat eine gewisse Pikanterie, dass ein Preis des Friedens in die Hände des Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte geht. Dass ein Machthaber ausgezeichnet wird, der gerade mal ein Jahr im Amt ist und jüngst 30.000 Soldaten nach Afghanistan geschickt hat - und von den Verbündeten weitere 10.000 fordert. Auch Vorgänger George W. Bush hat die Partner in seinen Krieg gezogen.

Es soll ja die letzte große militärische Anstrengung am Hindukusch sein, bevor 2011 der Abzug eingeleitet wird. Vielleicht wird Barack Obama seine Strategie so begründen: Mehr Soldaten bringen den Krieg schneller zu einem Ende, so wird schneller wieder Frieden herrschen.

Doch vorher wird Blut fließen. Die USA wollen massiv in die Ausbildung von afghanischen Polizisten und Soldaten investieren und die Korruption in der afghanischen Regierung eindämmen. Fraglich bleibt, ob das mehr ist als bloßes Wunschdenken. In den vergangenen sieben Jahren hat es die Internationale Schutztruppe in Afghanistan (Isaf) trotz derzeit 55.000 Soldaten nicht geschafft, die Taliban zum Aufgeben zu zwingen und die Verantwortung für Frieden und Sicherheit in Afghanistan in die Hände der lokalen Authoritäten zu legen - nicht einmal stückweise.

Im Video: US-Präsident Obama ist in Norwegen eingetroffen, um den Friedensnobelpreis entgegenzunehmen.

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Es scheint unwahrscheinlich, dass 30.000 weitere Soldaten das nun in nur zwei Jahren möglich machen. Und: Ist es wirklich ein Beitrag zum Frieden, aus einem Land abzuziehen, das damit möglicherweise in seine alte Instabilität zurückfällt? Alles Fragen, die Obama in Oslo beantworten muss.

Daher verwundert es nicht, dass der Präsident bis zuletzt an seiner Rede zur Entgegennahme des Nobelpreises arbeitet. Er will darin auf sein Konzept amerikanischer Führungsstärke ebenso eingehen wie auf die Verantwortung anderer Staaten zur Förderung des Friedens. Die Rede wird mit Spannung erwartet. Und sie wird einen enormen Einfluss darauf haben, ob die Öffentlichkeit Obama den Preis gönnt oder nicht.

Als das Nobelkomitee die Entscheidung für den amerikanischen Präsidenten bekanntgab, reagierte die Welt - gelinde gesagt - überrascht. Nach elf Monaten im Amt muss der Friedensnobelpreis als Bündel Vorschusslorbeeren für Barack Obama gewertet werden.

Es waren vor allem Reden, die den Ausschlag gaben, ihn auszuzeichnen: Am 5. April 2009 hielt der US-Präsident eine visionäre Ansprache auf dem Hradschiner Platz in Prag. Er versprach eine Welt ohne Atomwaffen. Kurz nach seinem Amtsantritt verkündete er die Schließung Guantanamos und den Abzug aus dem Irak. Und in einer vielbeachteten Rede an der Universität Kairo plädierte der US-Präsident für ein Verhältnis zwischen dem Westen und der islamischen Welt auf Augenhöhe.

Das norwegische Komitee begründete die Vergabe an Obama mit dessen Visionen und dessen Bemühungen um die Stärkung der internationalen Diplomatie. Den Friedensnobelpreis hat Obama also durch seine Reden gewonnen. Den Frieden noch nicht.

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