Süddeutsche Zeitung

Frankreich:Fillon steht mit dem Rücken zur Wand

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Von Lilith Volkert

Jemanden für einen Job zu bezahlen, den er niemals antritt, hat Tradition in Frankreich. Schon Jacques Chirac stellte als Bürgermeister von Paris 28 Mitarbeiter ein, die nie für die Stadtverwaltung tätig waren. Jahre später, als Ex-Präsident, wurde deshalb vor Gericht gestellt und verurteilt. François Fillon möchte eigentlich im Frühjahr Präsident werden. Doch es ist gut möglich, dass er schon bald nicht einmal mehr Präsidentschaftskandidat ist. Aus einem ähnlichen Grund wie Chirac.

Seit einer knappen Woche fliegt dem Republikaner eine Affäre nach der anderen um die Ohren. Immer geht es um Geld, oft um Fillons Familienmitglieder. Fast jeden Tag gibt es neue Enthüllungen.

Am schwersten wiegt der Vorwurf, er habe seiner Gattin Penelope Fillon jahrelang ein üppiges Salär als Assistentin gezahlt, insgesamt um die 500 000 Euro, ohne dass diese dafür wirklich gearbeitet habe. Zwei seiner Kinder hat Fillon für "Anwaltstätigkeiten" bezahlt, das hat er von sich aus gesagt. Allein: Sie waren zu dieser Zeit noch Jurastudenten. Außerdem soll Fillon mehr als 20 000 Euro aus schwarzen Kassen der Vorgängerpartei UMP erhalten haben. Der vorerst letzte Vorwurf am Dienstagmorgen: Eine von Fillons Mitarbeiterinnen soll nicht von ihm, sondern vom Milliardär Marc Ladreit de Lacharrière bezahlt worden sein.

Fillon macht alles noch viel schlimmer

Am Montag wurden Penelope und François Fillon getrennt voneinander vernommen. Der Mann, der sich im November für alle überraschend bei der Vorwahl der Konservativen durchsetzte, hat jetzt ein ernsthaftes Problem. Und macht es selbst noch viel schlimmer. Fillon reagierte mehr als ungeschickt auf die Vorwürfe von Canard enchainé, Journal du Dimanche und Mediapart. Seine Rechtfertigungen waren schwammig oder schlichtweg falsch. Er dachte laut über eine Verschwörung gegen ihn nach. Dem Artikel über die mutmaßliche Scheinanstellung seiner Gattin warf er "Frauenfeindlichkeit" vor: "Weil sie meine Frau ist, soll sie nicht das Recht haben zu arbeiten?"

Noch dazu kündigte Fillon am Freitag in einem Fernsehinterview an, er werde nicht zur Präsidentschaftswahl antreten, sollte ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet werden. Das ist einerseits folgerichtig: Fillon konnte sich in der Vorwahl vor allem wegen seiner blütenweißen Weste gegen Ex-Präsident Nicolas Sarkozy und Ex-Premier Alain Juppé durchsetzen. Dem Ersten hängen so viele Affären und Verfahren an, dass die meisten Franzosen längst den Überblick verloren haben. Der Zweite wurde 2004 wegen Korruption zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Fillon kann nicht mehr mit dem Saubermann-Image punkten

Fillon hingegen erschien kreuzbrav und anständig. Würde er sich nun - mit amtlicher Bestätigung - bei den Filous einreihen, sänken seine Chancen rapide. Mit seinem Saubermann-Image kann er ohnehin nicht mehr punkten, in den vergangenen Tagen ist er in der Wählergunst messbar gesunken. Auch wenn vieles, was ihm jetzt vorgeworfen wird, nicht illegal ist: In den Augen vieler Franzosen ist der "Kandidat der Wahrheit" auf einmal ein Selbstbedienungs-Politiker wie jeder andere auch.

Trotzdem war seine Ankündigung, im Fall eines Ermittlungsverfahrens nicht anzutreten, nicht besonders schlau: Fillon hat damit sein politisches Schicksal aus der Hand gegeben. Und sollte er sein Versprechen wahrmachen müssen und sich weniger als drei Monate vor der Wahl zurückziehen, hat nicht nur seine Partei ein ernstzunehmendes Problem, sondern alle gemäßigten Franzosen. Bisher galt Fillon als einer der wenigen Politiker, die die in Umfragen vorne liegende Rechtsextreme Marine Le Pen in der Stichwahl besiegen können.

"Das Problem von François Fillon ist das Vertrauen zwischen dem Kandidaten und den Franzosen" stellte die Chefin des Front National am Wochenende nüchtern auf Twitter fest. Sie wird dabei frohlockt haben. Denn selbst wenn es keine Ermittlungen gegen Fillon gibt und er Präsidentschaftskandidat bleibt: In der vergangenen Woche wurde dieses Vertrauen nachhaltig gestört.

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