Süddeutsche Zeitung

Deutschland:Seehofer will mehr Polizisten an Bahnhöfen

Lesezeit: 2 min

Von Jens Schneider, Berlin

Nach der Tötung eines achtjährigen Jungen am Frankfurter Hauptbahnhof will Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die Sicherheit an deutschen Bahnhöfen verbessern. Dazu gehört für ihn eine stärkere Polizeipräsenz. Zudem will er gemeinsam mit dem Bundesverkehrsminister und Vertretern der Bahn in einem Spitzengespräch prüfen, wie die Bahnhöfe durch bauliche Veränderungen sicherer gemacht werden könnten. "Wir müssen tun, was möglich ist, um einen Zugewinn an Sicherheit zu schaffen", sagte Seehofer nach einem Krisengespräch mit den Spitzen des Bundeskriminalamtes und der Bundespolizei in Berlin. Dabei dürfe die Frage möglicher Kosten zunächst keine Rolle spielen.

Die Staatsanwaltschaft in Frankfurt hat unterdessen Haftbefehl wegen Mordes gegen einen 40-jährigen Eritreer beantragt. Er soll am Montag den achtjährigen Jungen und dessen Mutter vor einen einfahrenden ICE gestoßen haben. Der Junge starb noch im Gleisbett. Der mutmaßliche Täter lebte seit 2006 in der Schweiz. Er genoss dort Asylrecht und galt als "gut integriert". Seit vergangenem Donnerstag wurde der Mann von der Schweizer Polizei gesucht, weil er seine Nachbarin angegriffen haben soll.

"Wir brauchen dringend mehr Polizeipräsenz", forderte Seehofer und kündigte an, in den Haushaltsgesprächen der Bundesregierung um zusätzliche Mittel dafür zu werben. Er erneuerte seine Forderung nach stärkerer Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Für die Bahnhöfe sollen alle technischen Möglichkeiten zur Verbesserung der Sicherheit geprüft werden, "und zwar vorurteilsfrei", sagte er.

Seehofer verwies darauf, dass es in Deutschland rund 5600 Bahnhöfe mit völlig unterschiedlichen Strukturen gebe. Er wies Einwände zurück, wonach es zu extrem hohen Kosten führen könne, die Bahnhöfe in Deutschland ähnlich abzusichern wie etwa in Japan oder London.

Seehofer: "Wir leben in einer polarisierten Gesellschaft"

"Wenn es um Menschenleben geht, gefällt mir das Argument mit dem Geld überhaupt nicht", sagte der Minister. Er akzeptiere nicht, wenn jemand in dieser Situation sage: "Das kostet Millionen, deshalb machen wir es nicht." Es gehe darum, "alles zu tun, um die erreichten Sicherheitsstandards noch zu verbessern", auch wenn niemand totale Sicherheit versprechen könne. Man müsse bei den Bahnhöfen im Land Prioritäten setzen, weil es unterschiedliche Gefährdungslagen gebe.

Seehofer sagte, das Sicherheitsgefühl in Deutschland sei "sehr angespannt", obwohl die allgemeine Kriminalität zurückgehe. "Wir leben in einer polarisierten Gesellschaft." Der Chef des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, kündigte nach dem Spitzengespräch an, angesichts von Gewalttaten aus dem rechten Spektrum künftig stärker nach Netzwerken zu suchen.

Zuletzt habe es eine Reihe von Übergriffen gegeben, die den Eindruck einer politischen Motivation erweckten - gegen Moscheen, gegen eine Stadträtin oder auch den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Die Behörden müssten zudem konsequent gegen Clankriminalität oder ausländische Intensivtäter vorgehen, sagte Münch.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4546289
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 31.07.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.