Süddeutsche Zeitung

Flut in Nordrhein-Westfalen:Während der Katastrophe auf Mallorca

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NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser reiste unmittelbar nach der Flut im vergangenen Sommer für mehrere Tage in ihre Ferienwohnung. Sie selbst sagt: "Das war kein Urlaub."

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Unmittelbar nach der verheerenden Flutkatastrophe im Juli 2021 ist Nordrhein-Westfalens Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) für mehrere Tage in ihre Ferienwohnung auf Mallorca gereist. Dies belegt ein Regierungsdokument, das am Freitagabend im Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags von Abgeordneten von SPD und Grünen präsentiert wurde. Bei ihrer Vernehmung im Ausschuss bestätigte die CDU-Politikerin ihre Reise nach Spanien. Sie habe sich um ihre minderjährige Tochter kümmern müssen, die dort mit Freunden ihre Ferien verbrachte. Die Ministerin betonte zugleich, sie habe auf der Mittelmeerinsel jederzeit ihre "Amtsgeschäfte vollumfänglich wahrgenommen" wie in ihrem Home-Office in Köln oder Düsseldorf. Sie fügte hinzu: "Das war kein Urlaub."

Heinen-Esser war zwar am Nachmittag nach der katastrophalen Hochwassernacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 aus ihrem Spanienaufenthalt zunächst nach Düsseldorf zurückgekehrt. Am 16. Juli nahm sie auch an einer Krisensitzung des NRW-Kabinetts teil, das über Rettungs- und Hilfsmaßnahmen nach dem Jahrhundert-Unwetter mit 49 Toten im Bundesland beriet. Anschließend jedoch ließ sich die CDU-Ministerin, deren Ressort unter anderem für Hochwasserschutz und Abfallwirtschaft zuständig ist, von ihrer Parteifreundin Ina Scharrenbach vertreten, die das Heimatministerium führt. In einem Vermerk des Umweltministeriums, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es, Heinen-Esser habe (wie bereits während ihres Mallorca-Aufenthalts in den Tagen bis zur Flut) zwar "die Amtsgeschäfte weiter wahrgenommen", jedoch ihre Verantwortung für "Kabinettsangelegenheiten" formal an Scharrenbach abgetreten. Auch Heinen-Essers Stellvertreter im Umweltministerium, der Staatssekretär Heinrich Bottermann, war bis 23. Juli 2021 im Urlaub.

Die Vernehmung der Büroleiterin von Ministerin Heinen-Esser hatte am Freitagnachmittag ergeben, dass der für Hochwasserschutz zuständige Abteilungsleiter des Umweltministeriums am 14. Juli 2021, dem Tag vor der Flutnacht, nicht an einer wichtigen Telefonkonferenz mit der Ministerin teilgenommen hatte. Eine nachträgliche Email der Büroleiterin erwähnt keine Detailberatungen zur drohenden Hochwasserlage in weiten Teilen des Landes. Stattdessen wurden offenbar ausführlicherer besprochen, ob der damalige Ministerpräsident und CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet einen öffentlichen Termin in der bereits von Hochwasser betroffenen Stadt Hagen wahrnehmen solle. Heinen-Esser sagte im Ausschuss, sie habe an jenem Tag jedoch noch mehrfach mit dem Abteilungsleiter telefoniert. Laschet nahm den Ortstermin in Hagen am Vormitttag des 15. Juli 2021 schließlich wahr.

Die Ministerin räumt einen anderen "Fehler" ein

Der Meteorologe Dominik Jung bemängelte als sachverständiger Zeuge am Freitagabend, die Menschen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hätten vor dem Unwetter früher gewarnt werden müssen. Bereits zwei Tage vor dem Rekord-Hochwasser sei "die betroffene Region zu 95 Prozent" klar gewesen, über der dann Starkregen mit 150 bis 200 Litern pro Quadratmeter niedergingen. Spätestens am Mittag des 14. Juli hätte man die Menschen alarmieren müssen. Dies, so Jung, hätte an den milliardenschweren Sachschäden zwar wohl wenig geändert: "Aber es hätte Menschenleben retten können."

Heinen-Esser räumte vor dem Untersuchungsausschuss ein, NRW sei im Sommer 2021 beim Hochwasserschutz "schlecht aufgestellt" gewesen. Es sei ihr "Fehler" gewesen, das seit vielen Jahren bestehende System der Hochwasser-Information und -Warnungen in NRW nicht infrage gestellt zu haben.

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