Süddeutsche Zeitung

Vereinte Nationen:Mehr als 100 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht

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UN-Flüchtlingsorganisation spricht in neuem Bericht von "dramatischem Meilenstein". Der Klimawandel verschärft den Kampf um Ressourcen, das Bundesentwicklungsministerium warnt, die Situation werde sich noch zuspitzen.

Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg gibt es auf der Welt nun mehr als 100 Millionen Menschen, die auf der Flucht sind. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) hat in Genf seinen Jahresbericht vorgelegt und spricht angesichts der Zahl von einem "dramatischen Meilenstein". Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist ein großer Faktor dabei, er sei die am schnellsten wachsende Krise dieser Art seit 1951, als das UNHCR gegründet wurde. Aber auch andere Kriege, Konflikte und Krisen wie die dramatische wirtschaftliche und politische Lage in Afghanistan verschärfen die globale Flüchtlingskrise.

Menschen aus der Ukraine, so das UNHCR, seien binnen Wochen nach Syrerinnen und Syrern die zweitgrößte Flüchtlingsgruppe geworden. 4,9 Millionen Menschen (Stand Mai) flohen bisher aus der Ukraine, aus Syrien waren es fast sieben Millionen. Der Bericht ist wegen des Ukraine-Kriegs aktualisiert worden, ansonsten bezieht er sich wie stets auf das Vorjahr. Allerdings, so das UNHCR, sei bereits Ende 2021 eine Rekordzahl erreicht gewesen, 89,3 Millionen Flüchtende, was noch einmal acht Prozent mehr waren als Ende 2020. Insgesamt sind es doppelt so viele wie ein Jahrzehnt zuvor.

"Sehr brutal und sehr furchteinflößend"

Filippo Grandi, UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, sagte: "Was wir in der Ostukraine sehen, ist sehr brutal und sehr furchteinflößend." Fatal wäre aber, wenn der Blick sich nur auf die Ukraine richte. Es fehlten riesige Geldsummen, um in anderen Erdteilen zu helfen. Er nannte unter anderem Spannungen in West- und Ostafrika, im Nahen Osten, die aus Myanmar vertriebenen Rohingya und Südamerika, wo viele Länder Flüchtende aus Venezuela aufgenommen haben. Grandi sagte, der Klimawandel verschärfe den Kampf um Ressourcen, was zum Beispiel in der Sahel-Zone in Afrika bestehende ethnische Konflikte anheize. Zu den bisherigen Fluchtgründen kämen, so Grandi, nun die explodierenden Lebensmittelpreise.

Deutschland war 2021 hinter der Türkei, Kolumbien, Uganda und Pakistan das größte Gastgeberland, mit 1,3 Millionen Aufgenommenen. Die meisten Menschen, die über Grenzen flüchten, bleiben in der Nähe des Heimatlandes. "Dreiviertel der Flüchtlinge sind im Nachbarland, weil sie hoffen, so schnell wie möglich nach Hause zurückkehren zu können", sagte UNHCR-Sprecher Chris Melzer.

Das Bundesentwicklungsministerium sprach angesichts der UNHCR-Zahlen von einem erschreckenden Rekord. Ministerin Svenja Schulze (SPD) sagte in Berlin, gekoppelt mit den explodierenden Lebensmittelpreisen sei die Entwicklung katastrophal: "Es droht die schwerste Hungersnot seit dem Zweiten Weltkrieg."

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