Süddeutsche Zeitung

EU-Kommission:Juncker will Polen Stimmrechte entziehen

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Der Chef der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, will Polen im Streit um die umstrittenen Gesetze zur Justizreform zum Einlenken zwingen. Dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel zufolge will der Luxemburger Warschau die Stimmrechte im Europäischen Rat entziehen, wenn das Land die umstrittenen Gesetze zur Justizreform nicht ändert. Er bitte die Kommissare, "als Hausaufgabe im Sommer" bei den Regierungen in ihren Heimatländern für einen entsprechenden Vorstoß der Kommission zu werben, sagte Juncker laut Teilnehmern bei der letzten Sitzung der EU-Kommission.

Um ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrages einzuleiten, braucht die Kommission eine Mehrheit von vier Fünfteln der EU-Mitglieder, der Entzug der Stimmrechte selbst setzt dann Einstimmigkeit voraus. In der Bundesregierung gibt es daher Vorbehalte. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) versicherte zwar, die Kommission habe den Rückhalt Berlins, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) jedoch hält wenig davon, den Konflikt zu verschärfen. Sie fürchtet wegen des zu erwartenden Vetos Ungarns eine Abstimmungsniederlage.

"Die Kanzlerin will keinen Streit mit Polen", heißt es in der Kommission. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn kritisiert die Zurückhaltung: "Ich würde mir wünschen, dass Deutschland eine eindeutige Haltung vertritt." Berlin und Paris sollten sich nicht nur um den Euro kümmern. "Sie müssen auch dafür sorgen, dass die Grundwerte der EU von allen eingehalten werden." Am Mittwoch treffen sich Merkel und Juncker in Berlin, auch um über Polen zu sprechen.

Heftiger Streit zwischen Paris und Warschau um EU-Entsenderichtlinie

Wie schwer das Verhältnis zwischen Warschau, Paris und Berlin inzwischen belastet ist, zeigt, dass in Polen gestern der französische Botschafter einbestellt wurde. So führte das Ringen um eine Reform der EU-Entsenderichtlinie zu heftigem Streit zwischen Frankreich und Polen. Der französische Staatschef Emmanuel Macron warf der polnischen Regierung vor, sich "bei vielen Themen europäischen Interessen" entgegenzustellen und Polen "an den Rand" Europas zu rücken. "Das polnische Volk verdient etwas Besseres als das", sagte Macron.

Die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydło bezichtigte Macron daraufhin der Arroganz. "Vielleicht gehen seine arroganten Äußerungen auf seinen Mangel an Erfahrung und politischer Praxis zurück", sagte die Regierungschefin. Sie erwarte, dass er seine Wissenslücken schließe und künftig zurückhaltender sei. Macron solle sich um die "Angelegenheiten seines Landes kümmern" - dann gebe es in Frankreich "vielleicht auch die wirtschaftlichen Ergebnisse und das gleiche Niveau an Sicherheit für die Bürger" wie in Polen. Ihr Land habe in der EU dieselben Rechte wie jeder andere Mitgliedsstaat auch.

Hintergrund des Streits ist Macrons geplante Reform der Entsenderichtline, mit der er gegen Lohndumping in der EU vorgehen will. Polen leistet gegen schärfere Regeln für ausländische Arbeitnehmer Widerstand.

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SZ.de/AFP/lala
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