Süddeutsche Zeitung

Atomkraft:Salzstock Gorleben wird endgültig geschlossen

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Jahrzehntelang war das Erkundungsbergwerk als Standort für ein Atommüllendlager im Gespräch. Nun hat der Bund die Stilllegung eingeleitet.

Von Oliver Klasen und Kassian Stroh

Nach mehr als drei Jahrzehnten voller Proteste wird das Erkundungsbergwerk Gorleben endgültig stillgelegt. Es war bereits vor einem Jahr als Standort für ein Atommüllendlager ausgeschlossen worden. Am Freitag gab das Bundesumweltministerium nun bekannt, die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) mit der Stilllegung des Bergwerks zu beauftragen. "Das Kapitel Endlager Gorleben wird ab dem heutigen Tag geschlossen", sagte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth. Der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD) sagte: "Ab heute gibt es keine Hintertür mehr." Das Thema Endlager Gorleben sei endgültig beendet.

Im Herbst 2020 hatte die BGE mitgeteilt, dass große Teile Deutschlands für ein Atomendlager nach geologischen Kriterien grundsätzlich geeignet sind - der lange heftig umkämpfte Salzstock Gorleben aber ist nicht darunter. Als Grund wurden geologische Mängel genannt. Nach der Entscheidung sollte geprüft werden, wie weiter mit dem Bergwerk verfahren werden kann.

"Ich hoffe, dass im Wendland nun die Wunden heilen können, die der jahrzehntelange Streit um Gorleben gerissen hat", sagte Staatssekretär Flasbarth. Gorleben habe über drei Jahrzehnte für einen "gesellschaftlichen Großkonflikt" gestanden. Daraus habe die Politik gelernt: "Am Ende muss gut nachvollziehbar sein, aus welchen Gründen ein Standort gewählt wurde."

Gorleben liegt im Landkreis Lüchow-Dannenberg in Niedersachsen. Dort befindet sich auch ein oberirdisches Zwischenlager für abgebrannte Brennstäbe aus Atomkraftwerken, das aber nicht geschlossen wird.

Rot-Grün stoppte die Erkundung, Schwarz-Gelb nahm sie zwischenzeitlich wieder auf

Die Planungen für ein Atommüllendlager im Salzstock Gorleben begannen in den Siebzigerjahren, unter der CDU-geführten Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht. Ursprünglich war zusätzlich noch eine Wiederaufbereitungsanlage für Brennstäbe geplant, dieses Vorhaben wurde jedoch rasch aufgegeben. Die Endlagerpläne zogen langandauernde Proteste von Atomkraftgegnern nach sich, die in einer Besetzung jener Wiese gipfelten, auf der die Probebohrungen für das Endlager stattfinden sollten. Aktivisten campierten dort unter dem Slogan "Republik freies Wendland". Auch der damalige Juso-Vorsitzende und spätere Bundeskanzler Gerhard Schröder stattete ihnen einen Besuch ab.

Weil die Genehmigung für ein Endlager sich hinzog, beantragte die Atomwirtschaft ein Zwischenlager in Gorleben, mit dessen Bau 1982 begonnen wurde. In den Jahren danach wurde mit sogenannten Castor-Transporten regelmäßig hochradioaktiver Atommüll nach Gorleben gebracht und dort eingelagert, stets begleitet von Protestaktionen. Was die Pläne für ein Endlager betraf, beschloss die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000 ein Moratorium, das die Erkundung des Salzstocks stoppte und Alternativstandorte für ein Endlager in den Blick nahm. Zehn Jahre später hob die damalige CDU/CSU-FDP-Regierung das Moratorium allerdings auf und setzte die Erkundung fort.

Die Reaktorkatastrophe von Fukushima im März 2011 führte dann zur Entscheidung der Bundesregierung, aus der Atomenergie auszusteigen. Das hatte auch Auswirkungen auf die Endlagersuche: Der damalige Umweltminister Peter Altmaier (CDU) verkündete Ende 2012 einen Erkundungsstopp für den Salzstock in Gorleben, wenige Monate später wurden die Arbeiten endgültig eingestellt.

Es werde nun eine ergebnisoffene Suche nach einem Endlager beginnen und Gorleben, so hieß es in der Debatte stets, sei "ein weißer Fleck" auf der Landkarte für diese Suche. Eine Formulierung, die bei Gegnern eines Endlagers im Wendland stets Misstrauen auslöste, weil sie fürchteten, dass der Salzstock Gorleben für die Endlagerpläne der Bundesregierung doch nicht völlig abgeschrieben war. Das ist nun Geschichte.

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