Süddeutsche Zeitung

Pandemie:Länder verschärfen Corona-Regeln massiv

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Steigende Inzidenzen führen zu deutlich strengeren 2-G-Auflagen und Schließungen von Freizeit- und Kultureinrichtungen. Ärzte sind empört über geplante Rationierung von Biontech-Impfstoffen.

Von Michael Bauchmüller und Claudia Henzler, Berlin

Angesichts rapide steigender Fallzahlen kommen auf die Bundesbürger in dieser Woche weitere Verschärfungen zu. So führen nun auch Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein für Gastronomie und Kultureinrichtungen verpflichtend die 2-G-Regelung ein, die nur Geimpften und Genesenen den Zugang erlaubt. In Brandenburg will das Kabinett kommenden Dienstag über strengere Regeln beraten, die Region Hannover prüft eine Maskenpflicht in Innenstädten.

Die Sieben-Tage-Inzidenz war am Sonntag auf einen neuen Höchstwert von 372,7 gestiegen, in einzelnen Landkreisen Bayerns und Sachsens liegt die Inzidenz bei über 1600. Beide Landesregierungen wollen deshalb in dieser Woche die Regeln verschärfen. In Sachsen müssen von Montag an alle Kultur- und Freizeiteinrichtungen geschlossen bleiben, genauso wie Bars, Clubs und Diskotheken. Für Regionen mit einer Inzidenz über 1000 gilt ab 22 Uhr eine Ausgangssperre für Ungeimpfte.

In Bayern werden voraussichtlich von Mittwoch an in Landkreisen mit einer Inzidenz von mehr als 1000 Gastronomie, Beherbergungsbetriebe, Sport- und Kulturstätten schließen müssen. Außerdem müssen Hochschulen dort auf digitale Lehre umstellen. Während von diesen Maßnahmen auch Geimpfte betroffen sind, hat Baden-Württemberg weitere Einschränkungen auf Ungeimpfte begrenzt: Am Montag tritt für sie in drei Landkreisen, in denen die Inzidenz über 600 liegt, eine nächtliche Ausgangssperre in Kraft. Wer nicht immunisiert ist, darf die eigenen vier Wände dort zwischen 21 Uhr und 5 Uhr nur noch in begründeten Fällen verlassen.

Auch die neuen Vorgaben des Bundesgesundheitsministeriums sorgen für Ärger. Wegen der großen Nachfrage nach dem Vakzin von Biontech/Pfizer kündigte das Ministerium an, Arztpraxen sollen pro Woche nur noch 30 Dosen ordern können, mobile Impfteams und Impfzentren höchstens 1020. Sie sollen stattdessen mehr zum Präparat des US-Anbieters Moderna greifen. Dieses werde "keiner Höchstgrenze unterliegen und vollständig beliefert".

Spahn verteidigt sich: Er könne keinen Impfstoff ausliefern, der nicht da ist

In der Ärzteschaft stieß der Plan auf heftigen Widerstand. "Das Impftempo droht verlangsamt zu werden", warnte Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Es werde für die Auffrischungen ein Impfstoff kontingentiert, "mit dem die meisten Patienten ihre Grundimmunisierung erhalten haben und den sie gewohnt sind". Kassenärztliche Vereinigungen sprachen von "massiver Behinderung", "Fehlorganisation" und sogar "Sabotage" der Impfkampagne.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) warf dem Gesundheitsministerium vor, es werfe "Brocken in das Impfgetriebe". Sie habe kein Verständnis mehr "für dieses Hin und Her von Minister Spahn", sagte sie der Bild am Sonntag.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verteidigte die Entscheidung. Es gehe um die "Frage der verfügbaren Menge", sagt er am Sonntagabend im ZDF. "Ich kann ja keinen Impfstoff ausliefern von Biontech, der nicht da ist." Die Nachfrage sei wahnsinnig gestiegen in den vergangenen beiden Wochen. Zuvor hatte sein Ministerium auf große Lagerbestände an Moderna-Impfstoff hingewiesen, die nicht mehr lange haltbar seien.

Derweil demonstrierten in Österreich am Wochenende Zehntausende Menschen gegen geplante Verschärfungen der Corona-Regeln. Im niederländischen Rotterdam kam es nach nicht angemeldeten Demonstrationen zu Unruhen.

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