Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:Spahn: "Es geht nur gemeinsam"

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Dem Gesundheitsminister wird vorgeworfen, zu spät und zu wenig Impfstoff bestellt zu haben. In einer Regierungserklärung rechtfertigt er das Vorgehen auf europäischer Ebene. Voraussichtlich im Sommer werde sich in Deutschland jeder impfen lassen können.

Zweieinhalb Wochen nach Beginn der Impfungen gegen Covid-19 in Deutschland hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn das Vorgehen der Bundesregierung bei der Beschaffung von Impfstoffen verteidigt. "Kein Land, keine Partei kann alleine dieses Virus besiegen", sagte der CDU-Politiker in seiner Regierungserklärung vor dem Bundestag.

Die Entscheidung, den Impfstoff als Europäische Union gemeinsam zu beschaffen, bleibe vor diesem Hintergrund richtig. "Es geht nur gemeinsam." In einer Jahrhundertpandemie nicht eigenmächtig zu handeln, liege im deutschen Interesse. "Während in anderen Ländern der Nationalismus wächst, rückt Europa zusammen."

Es gab zuletzt viel Kritik, das Impfen sei in Deutschland zu schleppend und teilweise chaotisch angelaufen. Führende SPD-Politiker stellen seit einigen Tagen infrage, ob der Gesundheitsminister alle Möglichkeiten für die rasche Beschaffung von Impfstoffen ausgenutzt habe. Die SPD-regierten Bundesländer fordern zudem in einem umfangreichen Fragenkatalog Aufklärung von Spahn zur Versorgung mit Impfstoffen.

Spahn erneuert seine Ankündigung, bis zum Sommer jedem in Deutschland ein Impfangebot machen zu können. Die Situation beim Impfen werde sich bessern, sagt er. "Natürlich ruckelt es bei der größten Impfkampagne der Geschichte." Aber es sei eine Struktur aufgebaut, "die hochfahren kann und wird". Jetzt komme es vor allem auf die Impfbereitschaft der Bevölkerung an.

Zu geringe Produktionskapazitäten

Das Bundesministerium plant aktuell, jede Woche 670.000 Impfdosen des Unternehmens Biontech zu verteilen. Für das gesamte erste Quartal wird mit 11 bis 13 Millionen Impfdosen gerechnet. Spahn sagte in Berlin, bis zu diesem Tag seien schon mehr als 750 000 Menschen in Deutschland geimpft worden. Er dankte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Gesundheitswesen, insbesondere den mobilen Teams, die die Impfungen derzeit in Pflegeheimen durchführen. Bisher gehören alle über 80-Jährigen zur Gruppe mit der höchsten Priorität. Außerdem zählen Mitarbeiter von ambulanten Pflegediensten, Personal auf Intensivstationen, in Notaufnahmen und im Rettungsdienst dazu.

Dass Vakzine derzeit knapp seien, liege nicht an einer falschen Einkaufsstrategie Deutschlands und Europas, sagte Spahn, sondern an fehlenden Produktionskapazitäten bei den Unternehmen. Die Bundesregierung setze sich deshalb mit Nachdruck für die Einrichtung eines weiteren Produktionsstandortes von Biontech in Marburg ein.

Mit Blick auf die Impfbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger verteidigte Spahn außerdem das Vorgehen, auf eine ordentliche Impfstoffzulassung durch die EU zu warten und keine Notfallzulassung zu beantragen. "Vertrauen ist das höchste Gut in dieser Pandemie", sagte Spahn.

Bereits am Mittwochmorgen hatte sich Spahn gegen eine Impfpflicht für Pflegekräfte ausgesprochen, die der bayerische Ministerpräsident Söder am Dienstag ins Gespräch gebracht hatte. "Ich habe im Bundestag mein Wort gegeben: In dieser Pandemie wird es keine Impfpflicht geben", sagte Spahn im Deutschlandfunk.

Im Bundestag äußerten Redner der Oppositionsparteien zum Teil scharfe Kritik an Spahn. Sebastian Münzenmaier (AfD) nannte die ganze Corona-Politik der Bundesregierung verfehlt und forderte, statt Lockdowns zu verhängen, müssten Risikogruppen geschützt werden.

Lindner für "schrittweise Öffnung"

Auch FDP-Chef Christian Lindner plädierte für "alternative Strategien" und erwähnte Taxigutscheine oder gesonderte Einkaufszeiten für Ältere. Auch die Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken, wie sie Bayern erlassen hat, müsse geprüft werden, allerdings müsse dies von einer "schrittweisen Öffnung" des öffentlichen Lebens begleitet werden. Den Impfstart habe die Bundesregierung "verstolpert", sagte Lindner. Logistik und Tempo seien beschämend. "Seit Monaten hätte man einen Impfstart vorbereiten können."

Katrin Göring-Eckardt von den Grünen unterstützte Spahn teilweise. Es sei "verdammt richtig" gewesen, europäisch vorzugehen bei der Impftstoff-Bestellung, sagte sie. Weite Teile der Bundestagsdebatte spiegelten nicht den Ernst der Lage wider, sagte sie. "Wecken wir keine falschen Illusionen, wir werden die Pandemie nicht auf Knopfdruck beenden." Doch seien einige Maßnahmen "lebensfremd". Es sei dringend geboten, dass mehr Menschen von zu Hause aus arbeiteten.

Carsten Schneider (SPD) sagte, auch seine Fraktion stelle sich "klipp und klar" hinter den europäischen Weg. Doch müsse man fragen, wie die Entscheidungen dort zustande gekommen seien. Er persönlich habe nicht gewusst, dass Biontech bereit gewesen wäre, 200 Millionen zusätzliche Impfdosen zu liefern. Wenn man ihn gefragt hätte, hätte er in der Kosten-Nutzen-Abwägung sofort zugestimmt, sagte Schneider.

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