Süddeutsche Zeitung

Coronavirus in Deutschland:Tourismusbeauftragter: Reisen wahrscheinlich erst wieder ab Pfingsten

Lesezeit: 7 min

Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU), ist skeptisch, ob angesichts der Corona-Einschränkungen Urlaub in den Osterferien wieder möglich sein wird. "Ich glaube, dass Reisen etwas ist, das die nächsten zwei, drei Monate noch sehr schwer vorstellbar ist", sagt Bareiß der Sendergruppe RTL/ntv. Mit Besserung rechne er erst für das zweite Vierteljahr. "Ab den Pfingstferien wird es wieder besser. Und ich hoffe, dass dann der Sommer ein ganz großer Reisezeitraum wird."

  • Wie zwei Urlauber nach 15 Tagen Quarantäne im Hotelzimmer eine ganz neue Freiheit erleben (SZ Plus)

Moderna-Impfstoff erstmals nach Deutschland geliefert

Der Corona-Impfstoff des US-Herstellers Moderna soll laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn noch an diesem Montag an einen zentralen Punkt in Deutschland geliefert werden und am Dienstag schließlich an die Bundesländer gehen. "Und die können dann beginnen, auch mit diesem Impfstoff zu impfen." Eine Wahlmöglichkeit zwischen dem Vakzin von Moderna und Biontech werde es nicht geben. Dafür sei die Menge zu gering. Bis Ende dieses Quartals rechne er mit knapp zwei Millionen Dosen von Moderna, im Laufe des Jahres mit 50 Millionen, sagte Spahn.

Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens, sagt zur Kritik am schleppenden Beginn der Impfkampagne in Deutschland, er wäre "natürlich noch zufriedener", wenn es schneller gehen würde. "Aber letztendlich ist es eigentlich etwas, was ich ungefähr so erwartet habe. Es schien mir unmöglich, eine derartig große Impfkampagne wirklich sehr viel schneller anlaufen zu lassen", sagt Mertens im ZDF.

Es gelten nun schärfere Corona-Regeln

Angesichts der weiter hoher Corona-Infektionszahlen gelten von diesem Montag an in allen Bundesländern schärfere Regelungen. Als letzte Bundesländer setzen Bayern, Baden-Württemberg, Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein die am vergangenen Dienstag in einer Bund-Länder-Schalte beschlossenen Regeln um.

Obwohl die Maßnahmen von der Bundesregierung und den Ländern beschlossen wurden, sind sie nicht in allen Ländern gleich. Eine Übersicht:

Kontaktbeschränkungen: Der eigene Haushalt darf sich noch mit einer weiteren Person treffen. Auch Kinder gelten meist nicht als Ausnahme. Abweichend von dieser Regel sollen in Brandenburg, Sachsen, Bremen und Baden-Württemberg Kinder von der maximalen Personenzahl ausgenommen werden, in Berlin Kinder von Alleinerziehenden und in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Rheinland-Pfalz kleinere Kinder. Bayern und Baden-Württemberg erlauben Betreuungsgemeinschaften mit einer anderen Familie. Schleswig-Holstein macht für die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen eine Ausnahme, Niedersachsen bei Menschen mit Behinderung und Kindern von getrennt lebenden Eltern.

Schulen und Kitas: Schulen und Kitas bleiben geschlossen. Für die Kinderbetreuung wird den Eltern jedoch im genannten Zeitraum bezahlter Urlaub ermöglicht. In Schulen gelten eine Notfallbetreuung und Angebote zum Distanzlernen. Abweichungen gibt es in Rheinland-Pfalz und Hessen. Hier bleiben die Schulen offen, die Präsenzpflicht für die Klassen 1 bis 6 entfällt.

Auch Hamburger Schüler, die zu Hause nicht lernen können, dürfen weiter zur Schule gehen. Baden-Württemberg will abhängig vom Infektionsgeschehen Grundschulen und Kitas ab 18. Januar wieder öffnen, sowie Präsenzunterricht für Abschlussklassen erlauben. In Berlin soll ab Montag Unterricht in Kleingruppen für die Abschlussklassen 10, 12 und 13 möglich sein.

Bremen setzt die Schulpflicht aus und lässt die Eltern entscheiden, ob sie ihre Kinder zur Schule schicken. In Mecklenburg-Vorpommern sollen Kitas und Schulen bis zur 6. Klasse grundsätzlich geöffnet bleiben, sofern Eltern ihre Kinder nicht zu Hause betreuen können. Die Abschlussklassen sollen von Montag an wieder zur Schule gehen können.

Hotspots: In Landkreisen mit mehr als 200 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche sollen sich Menschen ohne triftigen Grund nicht mehr als 15 Kilometer vom Wohnort entfernen. Baden-Württemberg plant derzeit keine entsprechende Regel. In anderen Bundesländern wie etwa Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sollen Kommunen darüber entscheiden, in Rheinland-Pfalz in Absprache mit den Kommunen. Thüringen empfiehlt die 15-Kilometer-Grenze - strikt gilt sie nur im besonders betroffenen Landkreis Hildburghausen.

Sachsen hat den Lockdown als einziges Bundesland bereits jetzt bis zum 7. Februar verlängert.

RKI: Mehr als 12 000 Neuinfektionen

Die deutschen Gesundheitsämter haben dem Robert Koch-Institut (RKI) 12 497 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet. Außerdem wurden 343 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet, wie das RKI am Montagmorgen bekanntgab.

An Montagen sind die erfassten Fallzahlen meist niedriger, unter anderem weil am Wochenende weniger getestet wird. Grundsätzlich ist die Interpretation der Daten momentan schwierig, weil um Weihnachten und den Jahreswechsel herum Corona-Fälle laut RKI verzögert entdeckt, erfasst und übermittelt wurden.

Der Höchststand von 1188 neuen Todesfällen war am Freitag erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33 777 am 18. Dezember der höchste Wert gemeldet worden - darin waren jedoch 3500 Nachmeldungen enthalten.

Die Zahl der binnen sieben Tagen an die Gesundheitsämter gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag am Montagmorgen bei 166,6. Ihr bisheriger Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind jedoch enorm: Die höchsten Inzidenzen hatten Sachsen mit 359,8 und Thüringen mit 316,2. Den niedrigsten Wert hatte Bremen mit 90,9. Wegen der Feiertage um den Jahreswechsel sind die Wochenwerte aber ebenfalls mit Vorsicht zu bewerten.

Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 1 921 024 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland. Die Gesamtzahl der Todesopfer ist auf 40 686 gestiegen. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit etwa 1 545 500 an.

Corona-Leugner protestieren vor Kretschmers Privatgrundstück

Eine Gruppe von etwa 30 Menschen hat am Sonntagmorgen vor dem Privatgrundstück des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) in Waltersdorf bei Großschönau im Landkreis Görlitz gegen die Corona-Maßnahmen protestiert. Nach Polizeiangaben sprach der CDU-Politiker mit den etwa 30 Menschen am Gartenzaun. Nach etwa 15 Minuten endete die Debatte und alle Personen verließen den Ort.

"Es war für mich keine bedrohliche Situation. Es ist mir wichtig mit den Menschen zu reden, in der Hoffnung, sie zu überzeugen", sagte Kretschmer der Deutschen Presse-Agentur. Als jedoch eine Frau demonstrativ ein Halstuch in den Farben der Reichsflagge über ihren Mund zog, sei für ihn eine Grenze erreicht gewesen. "Dann habe ich das Gespräch abgebrochen. Das ging zu weit", sagte der 45-Jährige. Betroffen habe ihn bei dem Gespräch gemacht, dass die protestierenden Menschen vor seinem Haus, einen "derartigen Unwillen zeigen, Realitäten zur Kenntnis zu nehmen".

Eine Vielzahl der versammelten Menschen trug laut Polizei keinen Mund-Nasen-Schutz und hielt nur teilweise die erforderlichen Abstände ein. Die Beamten stellten die Identitäten der noch Anwesenden fest. Zudem wurde eine Anzeige wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz gestellt.

Ramelow: Die Hütte brennt

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hat sich mit drastischen Worten gegen Forderungen nach Lockerungen in der Corona-Pandemie ausgesprochen. "Wir müssen einfach der Tatsache ins Auge sehen, dass das Virus jetzt erst anfängt, richtig Fahrt aufzunehmen", sagte der Linke-Politiker am Sonntagabend im ZDF-"heute journal". "Ich merke, dass bei mir in Thüringen gerade die Hütte brennt."

Dieser Sonntag sei für ihn ein schlimmer Tag. Denn in ganz Thüringen sei die 300er-Inzidenz überschritten worden, und alle Landkreise und kreisfreien Städte seien über 200 gegangen. "Es ist kein Platz mehr für Lockerungen und die Debatte von der Lockerung zur Lockerung", sagte Ramelow. Sein Appell an die Thüringer Wirtschaft sei, möglichst alles zu unterlassen, was im Moment nicht notwendig ist.

Söder: Lockdown muss verschärft werden

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) geht davon aus, dass die Beschränkungen des bis 31. Januar befristeten Corona-Lockdown stellenweise noch weiter gefasst werden müssen. "Wir müssen den Lockdown, den wir jetzt haben, verlängern und an einigen Stellen auch noch vertiefen", sagte Söder am Samstag beim digitalen Neujahrsempfang der nordrhein-westfälischen CDU. Mit Verlängerung bezog sich der Ministerpräsident nach Angaben eines Sprechers auf die in Bayern ab Montag geltenden neuen Corona-Regeln. (Anmerkung der Redaktion: Söders Formulierung war von der Nachrichtenagentur dpa und in einer früheren Version dieses Artikels sowohl im Text als auch in dessen Überschrift so interpretiert worden, dass Söder sich für eine Verlängerung des Lockdowns über den 31. Januar hinaus ausgesprochen habe. Am Abend erst meldete sich ein Söder-Sprecher bei der dpa, um dies zu korrigieren.)

Söder sagte, zu viele Menschen suchten noch Schlupflöcher bei den vereinbarten Corona-Beschränkungen oder diskutierten über Einzelmaßnahmen. Viele stellten sich auch als Opfer der Pandemie dar. Die wahren Opfer seien aber die fast 40 000 Toten in Zusammenhang mit dem Virus. "Es ist jedes Mal ein kleiner Stich ins Herz." Um jedes Leben werde gekämpft, versprach Söder. "Jeder Tag ist eine neue Bewährungsprobe."

Er habe Verständnis für den Ärger vieler Menschen über die Maßnahmen, vor allem aus der Wirtschaft, sagte Söder. Die versprochenen Wirtschaftshilfen müssten auch endlich kommen. "Es dauert schon sehr lange, und manches wirkt sehr bürokratisch." Erst ab kommender Woche sollten endgültig die Auszahlungen der Novemberhilfen kommen. "Aber wir sind im Januar."

500 000 Menschen geimpft in Deutschland

In Deutschland sind nach Angaben von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bislang mehr als 500 000 Menschen gegen das Coronavirus geimpft worden. "Es klappt Zug um Zug immer besser", sagt Spahn in einer Diskussionsrunde im Bundesgesundheitsministerium. Der Chef des Robert-Koch-Instituts Lothar Wieler ergänzte, trotzdem müssten die Kontaktbeschränkungen weiter konsequent befolgt werden.

Merkel: Es kommen die schwierigsten Wochen

Bundeskanzlerin Angelas Merkel (CDU) warb in ihrem am Samstag veröffentlichten Podcast erneut für die von Bund und Ländern verlängerten und zum Teil verschärften Corona-Schutzmaßnahmen. Die Maßnahmen seien "hart, aber auch zwingend erforderlich", so die Kanzlerin. Merkel machte die Dauer der Corona-Maßnahmen von deren Umsetzung abhängig: "Je konsequenter wir heute sind, desto schneller werden wir den Zustand der Kontrolle wiederherstellen können, desto kürzer wird die Zeit sein, in der wir mit solchen Einschränkungen leben müssen."

Sie sieht die kommenden Winterwochen als die wohl schwierigsten der Pandemie. "Ärzte und Pflegepersonal arbeiten in vielen Krankenhäusern am Rande der Überforderung", sagte sie. "Auch was wir über Mutationen des Virus hören, macht die Sorgen nicht geringer - im Gegenteil", so Merkel. Doch Besonnenheit und Rücksicht würden sich auszahlen.

Hoffnung auf ein baldiges Ende der Einschränkungen mache ihr der Start der Impfungen. Ziel sei es, die Zahl der Neuinfektionen sehr deutlich zu senken, damit die Gesundheitsämter die Neuinfektionen wieder nachvollziehen können. Die Kanzlerin zeigte sich zuversichtlich, dass das Tempo beim Impfen zunehmen werde. Es werde genug Impfstoff geben, um jedem in Deutschland ein Impfangebot machen zu können. Weiter sagte Merkel, es sei richtig gewesen, den Impfstoff auf europäischer Ebene zu beschaffen. "Kein Land, auch Deutschland nicht, wäre sicher vor dem Virus, wenn seine Freunde und Nachbarn es nicht wären", betont die Kanzlerin.

In Deutschland steigt die Zahl der bestätigten Infektionen mit dem Coronavirus binnen Tagesfrist um 24 694 auf 1 891 581, wie aus Daten auf der Internetseite des Robert-Koch-Instituts (RKI) hervorgeht. Die Zahl der Todesfälle nimmt demnach um 1083 auf 39 878 zu. Am Freitagmorgen hatte die Zahl der gemeldeten Todesfälle in Zusammenhang mit dem Coronavirus einen neuen Höchstwert erreicht: Innerhalb eines Tages übermittelten die deutschen Gesundheitsämter dem RKI 1188 neue Todesfälle.

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