Süddeutsche Zeitung

Ausgangsbeschränkungen:Was in welchem Bundesland noch erlaubt ist

Lesezeit: 3 min

Die Einschränkungen für Bürger heißen nicht in jedem Landesteil gleich, ähneln sich aber. Doch es gibt Ausnahmen.

Von Peter Burghardt, Matthias Drobinski, Boris Herrmann, Ulrike Nimz und Jana Stegemann, München

Einige Bundesländern nennen es Kontaktverbot, andere Ausgangsbeschränkung. In der Beschlussfassung der Bundesregierung zu den Vereinbarungen vom Sonntag taucht weder das eine noch das andere Wort auf: Dort heißt es "Kontakt-Beschränkungen". In der Telefonkonferenz zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten war es auch darum gegangen, die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus bundesweit anzugleichen. Tatsächlich gibt es aber nicht nur bei der Bezeichnung, sondern auch bei der Umsetzung weiterhin regionale Unterschiede.

Neun Punkte listet der Beschluss auf. Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist demnach nur noch "alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstandes gestattet". Bei dieser etwas umständlichen Formulierung versprach sich die Kanzlerin live im Fernsehen und musste sich wenig später korrigieren. Merkel sagte auch, es gehe nicht um Empfehlungen, sondern um Regeln. Dennoch hat der Bund keinen direkten Zugriff darauf, dass sie in den einzelnen Ländern auch genau so umgesetzt werden. Wohl auch deshalb ist auf der Papierform von "Leitlinien" die Rede. Ein Überblick über abweichende Regeln in den Bundesländern.

Bayern

Die Ausgangsbeschränkungen in Bayern sind vielfach strenger als die der Bund-Länder-Gruppe. Hier darf nur aus dem Haus, wer einen triftigen Grund dafür hat (Arbeitsweg, Arztbesuch) - und das auch nur allein. Andere Bundesländer erlauben, dass sich zwei Menschen gemeinsam im Freien aufhalten, im Freistaat ist sogar das untersagt. Gemeinsam darf nur an die frische Luft, wer zu einem Hausstand gehört: Alle vier Mitglieder einer vierköpfigen Familie dürfen also weiterhin gemeinsam um den Block spazieren, wenn sie zu anderen Personen genug Abstand einhalten.

Saarland

Auch im Saarland gelten bereits seit Freitag strengere Regeln als in den meisten anderen Bundesländern, Ausgangsbeschränkungen inklusive. Wie in Bayern darf man nur noch allein und mit triftigem Grund vor die Tür - oder mit Mitgliedern des eigenen Hausstandes. Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmen: Wer einer alten, gehbehinderten Frau hilft, an die frische Luft zu kommen, muss ebenso wenig eine Strafe fürchten wie der Schüler oder die Auszubildende auf dem Weg zu einer Prüfung. Und obwohl Friseure und Nagelstudios schließen müssen: Baumärkte bleiben geöffnet.

Nordrhein-Westfalen

Das Land hat das Kontaktverbot des Bundes, wonach maximal zwei Personen gemeinsam auf die Straße dürfen, umgesetzt. Ausgenommen sind auch hier Familien sowie in einem Haushalt lebende Personen. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kündigte drastische Bußgelder bei Regelverstößen an: "Das Ziel ist: Unvernünftige bestrafen - hart und klar." Für Ordnungswidrigkeiten sollen bis zu 25 000 Euro verhängt, schwerere Verstöße sogar strafrechtlich verfolgt werden können. Diese Summe hatten sonst nur Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), und Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) ins Spiel gebracht. Während Angela Merkel davon sprach, dass die verschärften Maßnahmen zunächst zwei Wochen gelten sollten, verkündete Laschet, das Kontaktverbot in NRW gelte bis zum 19. April.

Sachsen

Hier gilt eine "Ausgangsbeschränkung", die am Sonntagnachmittag noch vor den bundesweiten Beschlüssen verkündet wurde. In einigen Punkten weicht die sächsische Verfügung ab. So ist es nicht gestattet, sich mit einer Person im Freien aufzuhalten, die weder dem Haushalt angehört noch Lebenspartner ist. Alleinwohnende Singles wären streng genommen zu einsamen Spaziergängen verdammt. Innenminister Roland Wöller (CDU) sagte dazu am Montag, man müsse soziale Kontakte jetzt auf den "engsten Kreis" beschränken, und dies sei nun einmal der Familienkreis, darauf habe man sich einvernehmlich mit Kommunen und Regierung geeinigt. Weiterhin besucht werden dürfen Ehe- und Lebenspartner, Partner in "auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaften" und Kleingartenanlagen - diese aber auch nur von Lebenspartnern oder nicht mehr als fünf Angehörigen eines Haushalts.

Sport und Bewegung an der frischen Luft sind nur "im Umfeld des Wohnbereichs" gestattet. Wie dieser Radius genau zu definieren sei, ließ Wöller offen: Man setze auf den gesunden Menschenverstand und das Augenmaß der Polizei. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) ergänzte: Eine gewisse Unschärfe müsse zwangsläufig bleiben, es könne nicht jeder Einzelfall geklärt werden. Und: "Niemandem wird beim ersten Mal ein Bußgeld aufgezwungen."

Norddeutsche Bundesländer

Im Norden sind die beliebten Ferieninseln für Urlauber weiter gesperrt. Die Kieler Landesregierung fordert sogar Zweitwohnungsbesitzer dazu auf, Schleswig-Holstein zu verlassen. Die Landkreise Ostholstein und Nordfriesland verbieten die Nutzung solcher Zweitwohnungen sogar explizit, von einzelnen Ausnahmen abgesehen. Zu Nordfriesland gehört unter anderem die Insel Sylt. Vier Klagen, die Zweitwohnungen weiterhin nutzen zu dürfen, wurden vom Verwaltungsgericht Schleswig abgelehnt. Seit Montag wird das Verbot überwacht, Streifenwagen der Polizei kontrollieren zum Beispiel Fahrzeuge ohne NF-Kennzeichen. Schleswig-Holstein kündigt auch eine Polizeipräsenz auf Autobahnen an, "um die Touristen vom Betreten Schleswig-Holsteins abzuhalten". Der niedersächsische Landkreis Aurich schränkt auch den Zugang von den Inseln Norderney, Juist und Baltrum zum Festland ein. Touristische Reisen aus privatem Anlass nach Mecklenburg-Vorpommern sind komplett untersagt.

Peter Burghardt, Matthias Drobinski, Boris Herrmann, Ulrike Nimz und Jana Stegemann

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SZ vom 24.03.2020
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