Süddeutsche Zeitung

Klimapaket:"Im Ernst"?

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Von Michael Bauchmüller, Berlin

Donnerstag, neun Uhr: Klimanotstand im Bundestag. Die Bundesregierung sucht den großen Konsens zu ihrem Klimaprogramm, doch die Opposition steigt nicht darauf ein. "Sie können doch im Ernst nicht annehmen", ereifert sich Grünen-Fraktionschef Toni Hofreiter, "dass dieses Paket Basis sein kann für einen nationalen Klimakonsens". Ohnehin sei es eher ein Päckchen als ein Paket. Sein Kollege von der FDP, Christian Lindner, winkt zwar nicht völlig ab, hält aber wenig vom Paket: Es atme zu wenig den Geist der Marktwirtschaft. "Wir brauchen nicht mehr, sondern besseren Klimaschutz", findet Lindner. Und Sahra Wagenknecht von der Linkspartei sieht vor allem kleine Leute benachteiligt. "Wenn eine Koalition nicht das Rückgrat hat, sich mit den wahren Klimasündern anzulegen, dann kommt genau das heraus, was sie am Freitag vorgelegt hat."

So geht es im Parlament zu, knapp eine Woche nach den Klima-Beschlüssen der Bundesregierung. Dabei hatte Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus die Hand ausgestreckt für einen "breiten Konsens", samt Verhandlungen. "Wir müssen uns aufeinanderzubewegen", hatte Brinkhaus gesagt. Ein Konsens gelinge nicht, "wenn ich sage, friss oder stirb".

Die Umweltministerin und der Unionsfraktionschef betonen, man könne "nachsteuern"

Seit Union und SPD vorigen Freitag ihre Eckpunkte für den Klimaschutz präsentiert haben, stehen die Pläne in der Kritik. Zunächst von Wissenschaftlern und Umweltschützern, im Bundestag dann durch die komplette Opposition. Der AfD geht das alles sowieso zu weit, weil sie, wie der Abgeordnete Karsten Hilse sagt, den Klimawandel für ein natürliches Phänomen hält. "Der Mensch trägt mit seinen Emissionen nicht maßgeblich dazu bei", weiß der AfD-Klimaexperte. Alle anderen in der Opposition haben eher Zweifel, dass das Paket maßgeblich zum Kampf gegen die Erderwärmung beiträgt. Etwa, weil der geplante Preis für Kohlendioxid anfangs so niedrig ausfällt; nur zehn Euro soll die Tonne Kohlendioxid kosten, die etwa beim Heizen oder Autofahren anfällt.

Diese Kritik, sagt Brinkhaus, "nehmen wir sehr ernst". "Aber wir können nachsteuern." Zuvor schon hatte die kommissarische SPD-Chefin Malu Dreyer durchblicken lassen, dass sich ihre Partei auch einen doppelt so hohen Einstiegspreis hätte vorstellen können.

Tatsächlich hat die Koalition einen Mechanismus zur Nachsteuerung eingebaut, der etwa den Verkehrsminister noch beschäftigen dürfte. Künftig soll jährlich überprüft werden, ob die einzelnen Ressorts auf dem Weg sind, ihre jeweiligen Klimaziele zu erreichen. Beim Verkehr ist dieser Weg besonders weit. "Ich sehe jetzt schon die Schweißperlen bei Andi Scheuer", sagt SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch. Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) verweist am liebsten auf diesen Mechanismus, den sie mit einem Klimaschutzgesetz verankern will. Damit würden Klimaziele "rechtsverbindlich", wirbt Schulze. Aber: "Ich hätte mir auch mehr vorstellen können, das sage ich ganz deutlich."

In der Koalition ist man besorgt, dass die Grünen im Bundesrat dazwischenfunken

Dieser Mechanismus ist an diesem Donnerstag das Einzige, worin die Grünen einen "kleinen Fortschritt" sehen wollen. In der Koalition wächst derweil die Sorge, das Teile des Pakets am mangelnden Konsens scheitern könnten - konkret an den Grünen im Bundesrat. Diese könnten "de facto alles lahmlegen", warnte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Zwar hätte auch er sich im Paket "mehr Dynamik" gewünscht. "Aber das ist kein Grund, es im Bundesrat abzulehnen." Derzeit regieren die Grünen in neun der 16 Länder mit, mit Brandenburg und Sachsen könnten es bald elf sein. Die Grünen hatten schon angekündigt, sie wollten über den Bundesrat noch Änderungen erreichen. Änderungen allerdings gibt es auch so schon. Mittlerweile ist die Ressortabstimmung über das Klimaschutzprogramm eingeleitet, gewissermaßen die Langfassung der Eckpunkte vom vorigen Freitag. Ein Entwurf das Papiers mit den rund 60 Einzelmaßnahmen liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Pikant: Sämtliche Zahlen, wie viel Einsparungen die einzelnen Punkte bringen sollen, wurden darin gestrichen. Die Ministerien waren sich nicht einig geworden, ob ihre Annahmen stichhaltig sind.

Noch während der Bundestag das Klimapaket debattierte, begann zwei Kilometer entfernt eine Aktuelle Stunde des Berliner Abgeordnetenhauses, einberufen von den Grünen. Das Thema: "Hunderttausende beim Klimastreik: Berlin setzt ein deutliches Zeichen für mehr Klimaschutz". Wie so ein Zeichen aussehen könnte, präsentierte die parteilose Umweltsenatorin Regine Günther: Klimanotstand, in ganz Berlin.

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Quelle:
SZ vom 27.09.2019
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