Süddeutsche Zeitung

CDU-Politiker Mißfelder im Interview:"Die Grünen spielen mit uns"

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Er hat eine neue Gegnerin gefunden: Philipp Mißfelder, Chef der Jungen Union, widerspricht der saarländischen CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, die eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes gefordert hatte. Mißfelder lobt im Interview lieber Gerhard Schröder und Margaret Thatcher - und warnt vor schwarz-grünen Gedankenspielen.

Von Thorsten Denkler

Seit mehr als zehn Jahren ist Philipp Mißfelder Chef der Jungen Union. Als Vorsitzender der CDU/CSU-Jugendorganisation und außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag präsentiert sich der 33-Jährige Nordrhein-Westfale gerne als Konservativer im Geiste Helmut Kohls. Im Interview spricht er über die Steuererhöhungsdebatte in der Union und den Konservatismus der Gegenwart.

SZ.de: Herr Mißfelder, Margaret Thatcher ist gestorben. Sie war neben Helmut Kohl eine der letzten großen Konservativen des Kontinents. Fehlt so jemand heute in der europäischen Politik?

Philipp Mißfelder: Ich schließe mich Helmut Kohls Worten an: Mit Margaret Thatcher ist eine großartige Frau gestorben. Die Proeuropäer haben erhebliche Konflikte mit ihr gehabt. Trotzdem hat sie viel dafür getan, den Ost-West-Konflikt zu entschärfen. Wir müssen ihr hoch anrechnen, dass sie sich von der deutschen Einheit hat überzeugen lassen. Dass Großbritannien wirtschaftlich nicht untergegangen ist, das verdanken die Briten ausschließlich Margaret Thatcher.

Thatcher stand für Sozialkürzungen, Entmachtung der Gewerkschaften und vor allem - Steuersenkungen. In Ihrer Partei wird gerade heftig debattiert, ob Steuern erhöht werden sollen. Wie viel Thatcher braucht die CDU heute?

Wir brauchen auf jeden Fall mehr Thatcher als Hollande. Ich widersetze mich entschieden der Hollandeisierung der deutschen Steuerpolitik, wie Rot-Grün sie will.

Ihre Parteifreundin und saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer sieht das offenbar entspannter.

Wenn Frau Kramp-Karrenbauer den Spitzensteuersatz erhöhen will, dann bedeutet das nur eines: Eine Mehrbelastung von Familien und Familienunternehmen in der soziologischen Mittelschicht. Wir können nicht in Sonntagsreden den Mittelstand loben und am Montag die Steuern genau für diese Gruppe erhöhen und damit die Leistungsträger der Gesellschaft bestrafen. Wenn wir Wachstum abwürgen wollen, dann müssen wir die Steuern erhöhen, wie Frau Kramp-Karrenbauer und andere das wollen. Ein höherer Spitzensteuersatz träfe die gut verdienende obere Mittelschicht. Aber nicht die Reichen. Je wohlhabender die Menschen sind, desto mobiler wird ihr Kapital.

Wie jetzt am Offshore-Leaks-Skandal zu sehen ist. Dennoch: Wie Frau Kramp-Karrenbauer richtig angemerkt hat, lag der Spitzensteuersatz zu Kohls Zeiten bei 53 Prozent. Heute bei 42 Prozent. Hat Ihr großes Vorbild auch schon die Leistungsträger bestraft?

Das habe ich auch nicht für richtig gehalten. Die Junge Union ist damals für eine Senkung des Spitzensteuersatzes eingetreten. Es war richtig von Gerhard Schröder, den Spitzensteuersatz zu senken.

Die FDP glaubt, es würden zu viel Steuern gezahlt. Dabei liegt Deutschland im europäischen Vergleich im Mittelfeld, was Steuern und Abgaben angeht. Ist da eine Steuersenkungsdebatte sinnvoll?

Wenn ich die Wahl habe - Steuern rauf oder Steuern runter -, bin ich für Steuersenkungen. Aber das ist nicht die Position der Union. Wir wollen moderat die öffentlichen Haushalte sanieren. Das funktioniert nur, wenn wir dauerhaft die Einnahmen des Staates sicherstellen. Das kann mit einer radikalen Steuersenkung, wie sie sich die FDP vorstellt, nicht funktionieren. Wir könnten uns als Junge Union zum Beispiel aber vorstellen, die Erbschaftsteuer in die Hände der Länder zu legen. Diese können dann frei über die Abschaffung oder Beibehaltung entscheiden.

Der Staat hat ein massives Einnahmeproblem. Deutschland liegt immer noch 20 bis 30 Milliarden Euro hinter den Erwartungen zurück, die vor der Krise für die Jahre 2012 und 2013 ausgegeben wurden. Das Geld fehlt vor allem in den Kassen der Länder und Kommunen. Also: Wo soll das Geld herkommen, wenn nicht über Steuererhöhungen?

Bevor wir Steuern erhöhen, müssen die gesamte öffentliche Verwaltung und die Ausgaben überprüft werden. Das gilt insbesondere auch für die Kommunen. Da gibt es überall noch Potenzial.

Das bedeutet: Freibäder, Theater und Museen schließen, die Preise für kommunale Busse und Bahnen erhöhen, weniger Polizisten, Lehrer und Lebensmittelkontrolleure. Ist es das, was Sie wollen?

Mit dem Steuerniveau, das wir in Deutschland haben, wird die öffentliche Daseinsvorsorge immer garantiert sein. Aber es gibt immer noch Kommunen, die bauen auf Pump neue Museen und neue Konzertsäle. Berlin allein hat drei Opernhäuser und leistet sich anders als Bayern ein beitragsfreies drittes Kindergartenjahr. Und zwar auf Kosten der Geber-Länder. Das ist unfair und ungerecht. Ich habe Verständnis für die Bayern und die Hessen, die jetzt gegen den Länderfinanzausgleich klagen.

Die Grünen wollen erheblich an der Steuerschraube drehen. Das schreckt in Ihrer Partei viele nicht davon ab, sich öffentlich für ein schwarz-grünes Bündnis zu erwärmen.

Das ist ein Luftschloss, eine Illusion. Die Grünen spielen mit uns. Mit ihrem Personalangebot geben sie sich einen pseudobürgerlichen Anstrich. Manche unserer potenziellen CDU-Wähler halten sie schon deswegen für koalitionsfähig mit der CDU. Was sie nicht merken: Die wollen nur unsere Wähler. Aber auf keinen Fall mit uns regieren. Wir wären doch verrückt, wenn wir uns denen an den Hals werfen würden!

Sie klingen jetzt ein bisschen beleidigt. Würden Sie denn mit denen wollen, wenn die mit Ihnen wollen würden?

Ganz bestimmt nicht! Schwarz-Grün wäre gesellschaftspolitisch fatal. Das würde die Christdemokratie in ihren Grundfesten erschüttern. Schauen Sie sich die Protagonisten doch an: Mit Herrn Kretschmann und Frau Göring-Eckhart wird bürgerlich geblinkt, während die große Mehrheit der Mitglieder klar links verortet ist. Die Sprecherin der Grünen Jugend ist sogar Mitglied der Roten Hilfe, die RAF-Terroristen und ehemalige Stasi-Mitarbeiter unterstützt. Erst letzte Woche hat die Grüne Jugend gemeinsam mit der Jugendorganisation der SED-Fortsetzungspartei Die Linke eine Kampagne unter dem Titel " Ich bin linksextrem" gestartet. Das ist grüne Realität.

Dann viel Spaß in der großen Koalition.

Die große Koalition war erfolgreicher und ist viel einfacher als eine schwarz-grüne Koalition jemals sein könnte.

Und die FDP?

Ich setze weiter auf Schwarz-Gelb, auf die Fortsetzung der christlich-liberalen Koalition. Das Rennen ist noch in jede Richtung offen. Die Wahl wird auf den letzten Metern entschieden und Union und FDP haben gemeinsam alle Chancen. Wer aber jetzt schon glaubt, Steinbrück habe verloren, sollte sich vielleicht doch noch mal auf Wahlkampf konzentrieren.

Sie gehören zu den bekennenden Konservativen in der CDU. Wenn Sie etwa auf die Themen Wehrpflicht, Mindesteinkommen, Atomausstieg, jetzt die Debatte über Steuererhöhungen schauen: Kennen Sie sich in Ihrer eigenen Partei eigentlich noch aus?

In der Aufzählung fehlt noch das Thema Familienpolitik oder die Frage der Homo-Ehe und der Frauenquote. Das ist alles durchaus schwierig. Aber der Modernisierungsdruck hat erheblich zugenommen. Es ist einerseits notwendig, die CDU zu modernisieren. Andererseits müssen wir uns, wenn wir durchschlagenden Erfolg haben wollen, auf die großen Themen konzentrieren, für die die CDU traditionell gewählt wird: Finanz-, Wirtschaftspolitik und innere Sicherheit. Solidität in der Krise und stabile Verhältnisse. Dafür steht die Kanzlerin. Das macht sie so erfolgreich. Wir sollten uns aber nicht in Modethemen verzetteln, für die wir ein paar Schönheitspunkte bekommen aber unsere Stammwähler verunsichern. Damit gewinnen wir keine Bundestagswahl.

Merkel hält sich da wie gewohnt zurück, sie stellt sich nicht gerne ins Feuer. Anders Margaret Thatcher. Die hat mit nichts hinterm Berg gehalten, hat gekämpft, Prügel eingesteckt und das Land praktisch im Alleingang saniert. Würde Merkel etwas mehr Thatcher guttun?

Der Stil von Angela Merkel und Margaret Thatcher ist sehr unterschiedlich. Das liegt auch an den unterschiedlichen Kulturen der Auseinandersetzung in Großbritannien und Deutschland. Ich zweifle, ob "Blut, Schweiß und Tränen"-Reden helfen würden, Deutschlands Reformwilligkeit zu wecken. Was wir aber von Thatcher lernen können, ist, dass wir, nur weil es der Wirtschaft gerade etwas besser geht, nicht gleich aus dem Vollen schöpfen, die öffentliche Verwaltung aufblähen und die Löhne rücksichtslos erhöhen und dazu noch mit Steuerhöhungen die eigene Produktivität schwächen.

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