Süddeutsche Zeitung

CDU-Machtkampf:"Spahn versucht vergeblich, jung und dynamisch zu sein"

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Eigentlich kommt der Gesundheitsminister bei jungen CDU-Mitgliedern gut an. Finn Wandhoff, Vorsitzender der Schüler Union, erklärt, warum sich die Jugendorganisation dennoch für Friedrich Merz als Parteivorsitzenden ausgesprochen hat.

Interview von Philipp Saul

Eigentlich müsste Friedrich Merz für viele junge Menschen eine Figur aus der Vergangenheit sein. Unter den aussichtsreichen Kandidaten auf den CDU-Vorsitz ist Merz mit 63 Jahren der älteste. Trotzdem hat sich die Schüler Union Deutschlands auf ihrem Bundesschülertag am Wochenende für Merz ausgesprochen. Der Vorsitzende Finn Wandhoff erklärt, warum Merz auch bei Schülern ankommt, die noch sehr klein oder gar nicht geboren waren, als dieser politische Erfolge feierte.

SZ: Wie haben Sie sich bei Angela Merkels Rückzugsankündigung gefühlt?

Finn Wandhoff: Ich saß gerade in der Schule, als die ersten Whatsapp-Nachrichten durch die Reihen gingen. Ich habe diesen Haufen noch nie in so großer Aufregung erlebt. Mir ist die historische Tragweite klar geworden: Dass diese Persönlichkeit über so viele Jahre ein so großes Land regiert und auch nach außen repräsentiert hat. Ich war ein bisschen wehmütig.

Sie sind heute 18 Jahre alt. Merkel war Ihr ganzes Leben lang CDU-Parteivorsitzende und auch meistens Bundeskanzlerin. Wie sehen Sie die Zeit unter ihrer Führung?

Der Respekt vor Merkels Person und ihren Verdiensten darf nicht dazu führen, dass man Kritikpunkte aus den Augen verliert. Das betrifft in erster Linie die Migrationspolitik. Da meine ich nicht die zutiefst menschliche Entscheidung im Herbst 2015, sondern die Kommunikation mit europäischen Partnern, der eigenen Partei und der breiten Bevölkerung. Da wurden Regierungsentscheidungen getroffen, die niemandem erklärt worden sind. Ein zweiter wichtiger Punkt ist, dass die Parteiflügel in der CDU vernachlässigt wurden. Sogar in den ersten Jahren unter Helmut Kohl waren die Flügel sehr ausgeprägt - trotz seiner so starken Kanzlerpersönlichkeit.

Für Merkels Nachfolge gelten drei sehr unterschiedliche Kandidaten als aussichtsreich: Annegret Kramp-Karrenbauer, Jens Spahn und Friedrich Merz. Haben Sie in den vergangenen Wochen schon mit einem der drei gesprochen?

Ja, ich hatte Glück und konnte die drei Kandidaten vergangene Woche in relativ kleiner Runde kennenlernen. Persönlich habe ich dabei nur mit Friedrich Merz gesprochen. Er ist übrigens Gründungsmitglied der Schüler Union. Es gab also eine Gesprächsbasis.

Die Schüler Union hat sich am Wochenende für Merz ausgesprochen. Er lag nur wenige Stimmen vor Spahn. Was hat den Ausschlag gegeben?

Merz ist transatlantisch sehr engagiert. Diese weltpolitische Sichtweise sticht klar hervor. Bei Spahn erkennt man das nicht so deutlich. Er will sich zwar wirtschaftsliberal und gesellschaftskonservativ geben. Aber das kommt aus meiner Sicht nicht so richtig rüber. Spahn versucht vergeblich, jung und dynamisch zu sein.

Merz ist 2002 als Fraktionsvorsitzender der Union zurückgetreten und 2009 aus dem Bundestag ausgeschieden. Die Schüler von heute waren damals kleine Kinder oder noch nicht einmal geboren. Weshalb setzen Sie Ihre Hoffnungen auf Merz?

Das liegt unter anderem an dem, was man von ihm bis 2009 gehört hat oder was die Eltern transportiert haben: Leitkultur und die Steuererklärung auf dem Bierdeckel sind geflügelte Wörter, die viele mit positiven Dingen verbinden. Außerdem stehen die Fehler einer Person nicht mehr so im Vordergrund, wenn sie lange nicht mehr auf dem politischen Parkett war.

Welche Fehler sind das bei Merz?

Sein größter Fehler war es, 2009 mit der Politik aufzuhören. Man hat den Eindruck, dass er die politische Arbeit in dem Moment niedergelegt hat, als er die Parteiführung sehr kritisch sah. Das wirkt wie ein Ausweichmanöver. Das kritisiere ich stark. Die anderen Kandidaten haben genau gegenteilig gehandelt. Kramp-Karrenbauer ist von einem staatstragenden Amt in ein Parteiamt gewechselt, um der CDU zu helfen. Und Spahn ist trotz großer Kritik an Parteiführung und Bundesregierung dabeigeblieben und übernimmt jetzt sogar selbst Regierungsverantwortung.

Wenn er sich damals weggeduckt hat, warum sollte man Merz dann jetzt zur Führungsfigur machen?

Merz findet klare Worte für komplexe Sachverhalte. Viele sehen in ihm und seiner Kommunikation einen starken Unterschied zu dem, was bisher da war. Deshalb ist die Bereitschaft groß, ein gewisses Risiko einzugehen. Bei Merz sehe ich die größte Chance, dass dieser Stilwechsel in der Bevölkerung anerkannt wird. Bei Kramp-Karrenbauer war die Meinung einhellig. Man hat gesehen, dass sie wahrscheinlich eine Fortsetzung von Angela Merkels Politik verwirklichen will. Das ist nicht so auf positive Resonanz gestoßen. Kramp-Karrenbauer war deutlich abgeschlagen.

Was spricht noch für Merz?

Außerdem bringt Merz durch seine Berufserfahrung die Kompetenz im Umgang mit Persönlichkeiten außerhalb der Politik mit. Das macht für manche den Reiz seiner Kandidatur aus. Faszinierend ist auch, dass Medien und andere Parteien wie die AfD sofort versuchen, sich auf diesen Kandidaten einzuschießen. Das zeigt, dass vor ihm die größte Angst herrscht. Er könnte in eine Richtung wirken, die man den anderen Kandidaten nicht zutraut.

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