Süddeutsche Zeitung

Bundesverfassungsgericht:"Unser Rechtsschutz muss grenzüberschreitend sein"

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Die aserbaidschanische Journalistin Khadija Ismayilova hat vor dem Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen die Überwachungspraktiken des BND eingelegt - denn sie fürchtet, dass diese ihre Sicherheit gefährden.

Interview von Ronen Steinke

Die Journalistin Khadija Ismayilova, 43 Jahre, erhielt 2017 den Alternativen Nobelpreis "für ihre mutige Aufdeckung von Korruption auf höchster Regierungsebene" in Aserbaidschan. Gemeinsam mit der Süddeutschen Zeitung war sie auch an der Aufdeckung der Panama Papers beteiligt. Vor dem Bundesverfassungsgericht ist sie eine der Beschwerdeführerinnen gegen die Massenüberwachung des Bundesnachrichtendiensts (BND).

SZ: Frau Ismayilova, Sie berichten als Journalistin über Korruption und Machtmissbrauch in Ihrer Heimat Aserbaidschan. Warum fürchten Sie, dass der deutsche Geheimdienst Sie dabei belauschen könnte?

Khadija Ismayilova: Von dem Geheimdienst meines eigenen Landes bin ich schon überwacht und erpresst worden. Das ging so weit, dass in meinem Schlafzimmer eine Kamera platziert und intime Aufnahmen angefertigt wurden. Man hat dann anonym von mir verlangt, dass ich mit meiner Arbeit aufhöre, sonst würde das veröffentlicht. Und weil ich mich nicht erpressen lasse, hat man es im Netz veröffentlich. Auf einer gefälschten Webseite, die so aussehen sollte, als gehöre sie einer Oppositionspartei.

Das war aber nicht der deutsche Bundesnachrichtendienst. Warum haben Sie nun gegen den BND geklagt?

Man könnte natürlich argumentieren: Deutschland ist eine Demokratie, und diese großen Probleme liegen fernab von Deutschland. Ich bin da nicht so sicher. Denn Aserbaidschan exportiert viel Erdöl nach Deutschland, und umgekehrt kauft Aserbaidschan viel deutsche Technik. Die Regierung Aserbaidschans hat es bereits geschafft, deutsche Politiker zu rekrutieren für ihre korrupten Deals ...

... Sie spielen an auf die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz und den ehemaligen CSU-Bundestagsabgeordneten Eduard Lintner. Gegen sie wird derzeit von der Staatsanwaltschaft wegen Bestechung und Bestechlichkeit von Mandatsträgern ermittelt, weil sie hohe Summen aus Aserbaidschan angenommen und sich gleichzeitig als Wahlbeobachter und Parlamentarier für die Interessen der dortigen Herrscherfamilie eingesetzt haben sollen.

Genau. Ich als Journalistin, die solchen Vorgängen mithilfe von vertraulichen Informanten nachgeht, muss befürchten, dass nicht nur meine eigene, sondern auch die deutsche Regierung gern wissen möchte, was ich recherchiere, um mir einen Schritt voraus zu sein. Deshalb macht es mir Sorge, wenn der BND, der aufgrund seiner strategisch guten Lage am größten Internet-Knotenpunkt der Welt sehr viel weltweite Kommunikation durchkämmen kann, Ausländerinnen wie mich bislang völlig schutzlos stellt. Für meine Arbeit als Journalistin ist es entscheidend, dass ich vertraulich mit Menschen sprechen kann, die mir Hinweise auf Missstände geben. Wenn Spione mit in der Leitung sind, dann können sich meine Quellen nicht sicher fühlen.

Der Bundesnachrichtendienst arbeitet allerdings für die deutsche Regierung, nicht für die aserbaidschanische. Warum fürchten Sie dennoch, dass BND-Erkenntnisse auch bei Ihrer Regierung landen?

Es gibt da keine Transparenz. Unsere Regierung erzählt oft stolz, dass sie Daten mit den USA austauscht. Wie weit das auch mit Deutschland geschieht, wissen wir nicht. Ich bin da lieber vorsichtig. Zwei meiner aserbaidschanischen Kollegen sind auch in ihrem Exil in Deutschland und den USA überwacht worden, Chingiz Sultansoy und Sevinj Osmanqizi. Ihre private Kommunikation ist geknackt und hier in Aserbaidschan im regierungsfreundlichen Fernsehen gezeigt worden. Wir Bürger und Journalisten wissen nicht, wie sehr die technischen Vorrichtungen des einen Geheimdienstes auch vom anderen Geheimdienst freundlich mitbenutzt werden dürfen.

Deshalb sind Sie nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht gezogen?

Es wäre leichtsinnig, einfach darauf zu vertrauen, dass eine Demokratie wie Deutschland immer auf der Seite der Grundrechte steht. Aber weil Deutschland eine Demokratie ist, können wir dies öffentlich debattieren und sogar hinterfragen. Ich arbeite viel mit Journalisten auch in anderen Ländern zusammen, denn die Vergehen, zu denen wir recherchieren, sind grenzüberschreitend. Auch unser Rechtsschutz muss grenzüberschreitend sein.

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