Süddeutsche Zeitung

Pandemie in den USA:Risikopatient Joe Biden hat Covid

Lesezeit: 3 min

Mitten in einer Debatte über das hohe Alter des Präsidenten steckt sich Joe Biden mit dem Coronavirus an. Er leidet an mehreren Risikofaktoren.

Von Fabian Fellmann, Washington

Es geschah schon wieder am Mittwoch: Joe Biden verhaspelte sich bei einer Rede in Massachusetts, und es klang, als sagte er, er habe Krebs. Darunter leidet Biden allen Untersuchungen zufolge nicht. Sein Versprecher wurde am nächsten Morgen aber sofort als Symptom einer anderen Erkrankung gedeutet: Biden hat sich mit dem Coronavirus angesteckt, wie am Donnerstag bekannt wurde. Er sei wohl verwirrt gewesen in Massachusetts, kommentierte ein Arzt auf dem rechten Fernsehsender Fox News. Das passe zu Covid, das einen "Brain Fog" auslösen könne.

Ein vernebeltes Gehirn gehört allerdings bisher nicht zu den Covid-Symptomen, unter denen Biden leidet, wie das Weiße Haus am Donnerstagmorgen mitteilte. Präsidentenarzt Kevin O'Connor bestätigte Bidens Schnelltest-Diagnose mit einem PCR-Test. In einem Kurzbericht an das Weiße Haus hielt er fest, der Präsident habe in der Nacht auf Donnerstag schlecht geschlafen, er habe einen trockenen Husten, seine Nase laufe, und er fühle sich müde.

Nun nimmt Biden Paxlovid ein, ein antivirales Medikament, das die Ausbreitung des Sars-CoV-2-Virus im Körper bremsen soll. Biden ist laut seinem Arzt doppelt geimpft und hat zwei Booster erhalten. Er isoliere sich nun im Weißen Haus und führe seine Amtsgeschäfte weiter, sagte seine Sprecherin Karine Jean-Pierre bei einer kurzfristig anberaumten Medienkonferenz. Sie gelobte, die Öffentlichkeit über den Gesundheitszustand des Präsidenten auf dem Laufenden zu halten.

Welche Virusmutante Biden erwischt hat, ist bisher nicht bekannt. Vieles deutet jedoch auf BA.5 hin, jene Variante, die derzeit in der Hauptstadt Washington grassiert und wie in Europa die Infektionszahlen explodieren lässt. Für Biden wäre das laut Ärzten eine tendenziell gute Nachricht, weil BA.5 eher die oberen Atemwegen befalle und die Lunge nicht so stark angreife wie frühere Varianten des Virus.

Die Demokraten stecken im Umfragetief

Biden leidet jedoch an mehreren Risikofaktoren: Er hat etwa ein Vorhofflimmern, das Herzrhythmusstörungen verursachen kann, und nimmt deswegen Blutverdünner. Der offensichtlichste Risikofaktor ist sein fortgeschrittenes Alter von 79 Jahren. Darüber wird in diesen Tagen ohnehin gerade angeregt diskutiert. Die Zwischenwahlen rücken näher, Joe Biden und seine Partei stecken im Umfragetief, selbst viele Demokraten verlangen darum schon jetzt, die Partei müsse eine Alternative aufbauen für die Wahlen 2024. Da kommt eine Ansteckung mit dem Coronavirus zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.

Selbst der texanische Senator Ted Cruz, sonst ein harter Kritiker, wünschte Biden gute Besserung und versprach, er und seine Frau würden nun für ihn beten. Der Präsident erhält damit aber höchstens eine Gnadenfrist: In den nächsten Wochen wird er unter noch schärferer Beobachtung stehen, und die Republikaner werden jedes Zeichen von Schwäche gnadenlos ausnutzen. Auch die Demokraten hatten Bidens Vorgänger Donald Trump nichts geschenkt, als der im Oktober 2020 an Covid erkrankte und sich sogar kurzzeitig im Militärspital Walter Reed behandeln lassen musste - wobei Trump hämische Kommentare mit seiner Nonchalance geradezu provoziert hatte.

Erst Anfang dieser Woche musste sich das Weiße Haus dafür rechtfertigen, dass von Joe Biden zwei Tage lang nichts zu hören oder sehen war in der Öffentlichkeit. Dabei war der Präsident erst am Sonntag nach ein Uhr in der Früh von einer anstrengenden viertägigen Reise nach Israel und Saudi-Arabien zurückgekehrt. Schon bisher werteten die Republikaner jeden Versprecher und jeden Stolperer des Präsidenten als Belege dafür, dass er dem Amt nicht gewachsen sei. Gelegenheit dazu erhielten sie oft. Biden hat zwar ein Stottern aus der Jugendzeit weitgehend unter Kontrolle gebracht, doch ab und an drückt es doch durch. Offenbar macht ihm dabei auch zu schaffen, dass er sich wegen Sodbrennens immer wieder räuspern muss; ein Säureblocker scheint zwar zu helfen, aber eben nicht immer. Und schließlich leidet Biden unter teilweiser Taubheit in den Füßen, ein in seinem Alter jedoch weit verbreitetes Leiden.

Bidens Covid-Erkrankung wird die Verschwörungstheoretiker in den USA in helle Aufregung versetzen. Unter ihnen kursiert schon lange die These, Biden sei nur als Marionette gewählt und werde irgendwann beiseite geschafft, damit in Vizepräsidentin Kamala Harris eine dunkelhäutige Frau an seine Stelle treten könne. Harris würde laut Verfassung die Amtsgeschäfte übernehmen, falls Biden diese nicht mehr ausüben könnte. Am Dienstag noch saß sie bei einem Treffen mit Biden zusammen. Als Bidens Ansteckung publik wurde, war sie gerade unterwegs zu einem Besuch in North Carolina, den sie wie geplant weiterführte. Ihr Covid-Test ist negativ ausgefallen. Auch First Lady Jill Biden hat sich bisher nicht angesteckt. Das war bei Donald Trump ganz anders: Er erkrankte im Oktober 2020 gleichzeitig mit First Lady Melania Trump.

Dass sich schon zwei US-Präsidenten mit dem Virus infiziert hätten, zeige, wie tief das Virus die amerikanische Gesellschaft durchdrungen habe, hielt am Donnerstag eine erstaunte Moderatorin bei Fox News fest, dem rechten Sender, der die Covid-Pandemie oft herunterspielte. Immerhin scheint Bidens Covid-Erkrankung den "Brain Fog" Dritter ein bisschen zu lichten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5625806
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.