Süddeutsche Zeitung

Belarus:Lukaschenko reagiert mit Wut auf den Westen

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Die EU-Sanktionen treffen den belarussischen Diktator Lukaschenko deutlich. Der keilt zurück - und liefert sich völlig Moskau aus.

Von Silke Bigalke, Moskau

Alexander Lukaschenko spricht jetzt ständig über die EU-Sanktionen gegen sein Regime. Der belarussische Diktator nennt sie "Erpressung", vergleicht sie mit einer militärischen "Strafoperation". Wenn er dieser Tage auftritt, erzählt er den belarussischen Zuhörern davon, wie der Westen ihn stürzen und die "materiellen Ressourcen unseres Landes" ausbeuten wolle. Es sei ein Krieg im Gange, sagte Lukaschenko bei einem dieser Auftritte vergangene Woche. Niemand hatte erwartet, dass ihn die Sanktionen vernünftig machen würden. Seine Rhetorik verrät aber, wie sehr sie ihn treffen.

Die Maßnahmen, die die EU vor knapp zwei Wochen beschlossen hat, unterscheiden sich von früheren Sanktionen gegen das Regime. Sie betreffen diesmal ganze Branchen, die Herstellung von Tabakwaren etwa, die Ölindustrie, die für Belarus so wichtige Kali-Düngemittelproduktion. Sie blockieren auch den Export dieser Düngemittel über den litauischen Hafen Klaipėda - mittelfristig ein ernstes Problem für die Branche. Und sie beschränken den Zugang belarussischer Banken zum europäischen Kapitalmarkt. Auch diese Sanktionen werden Lukaschenko zwar nicht so bald in Schwierigkeiten bringen. Aber sie nagen langfristig an den wirtschaftlichen Stützen seines Regimes.

Lukaschenko wird nun sicher nicht einlenken, politische Gefangene freilassen oder Neuwahlen ansetzen. "Es gibt praktisch keine europäischen Sanktionen, die Lukaschenkos Verhalten direkt verändern können", hatte der belarussische Politologe Artjom Schraibman dem europäischen Carnegie-Zentrum gesagt, bevor sie beschlossen waren. Lukaschenko werde eher versuchen, den Westen für jede wirtschaftliche Krise in Belarus verantwortlich zu machen und darauf hoffen, dass Moskau ihn wieder einmal herauskauft - "einfach weil Moskau niemals einen noch stärker antiwestlich orientierten Landesführer in Minsk haben wird, und das ist etwas wert." Jedenfalls aus Sicht des Kremls.

Es ist gekommen, wie es der Experte vorhergesagt hat. Lukaschenko setzt auf volle Konfrontation mit der EU und auf Schulterschluss mit Moskau. Er drohte mit Gegensanktionen gegen westliche Firmen, ohne konkret zu werden. Das Außenministerium in Minsk, so sagte der Diktator, "müsse aktiver auf alle unfreundlichen Aktionen gegen Belarus reagieren". Viele Mittel hat sein Regime dafür nicht mehr, die meisten Verbindungen in den Westen hat er bereits abgerissen.

Mit Außenminister Maas will er nicht sprechen

Lukaschenko behauptet schon lange, dass westliche Mächte ihn stürzen wollten. Diese Rhetorik hat sich seit dem Sanktionsbeschluss verschärft: Ende vergangener Woche erklärte Lukaschenko, sein Geheimdienst habe eine Terrorzelle in Belarus aufgedeckt, die von Deutschland, Litauen, Polen, der Ukraine und den USA unterstützt werde. Genau von jenen Ländern also, die derzeit am lautesten Kritik an seinem Regime üben. Angeblich hätten sich die Beteiligten dieser Zelle über einen Telegram-Kanal koordiniert. Lukaschenko ließ während seiner Rede zum belarussischen Unabhängigkeitstag am Freitag einige Namen angeblicher Teilnehmer fallen. Belege für seine Behauptungen nannte er nicht, er erklärte aber, er werde gar nicht erst mit dem deutschen Außenminister Heiko Maas über die Sache sprechen, sondern gleich die Bundeskanzlerin konfrontieren.

In den Tagen zuvor hatte sein Regime dem deutschen Goethe-Institut und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst bereits untersagt, weiterhin in Belarus zu arbeiten. Auch das EU-Abkommen "Östliche Partnerschaft" setzte Minsk aus - und damit den gemeinsamen Kampf gegen illegale Migration. Vor allem Litauen klagt darüber, dass die belarussischen Behörden Migranten, hauptsächlich aus dem Irak, nach Litauen schleusten. Am Freitag rief man in Vilnius den Notstand aus, weil die Flüchtlingszahlen auf etwa 150 am Tag gestiegen waren. Er werde keine Migranten mehr vor der Grenze aufhalten, sagte Lukaschenko am Freitag, "wir haben weder das Geld noch die Kraft dazu - wegen eurer Sanktionen".

Beinahe zeitgleich ordnete der Machthaber an, die belarussische Grenze Richtung Ukraine zu schließen. Von dort sei eine "unglaubliche Menge an Waffen" nach Belarus gelangt. Waffen, die laut Lukaschenko angeblich auch gegen staatliche Einrichtungen eingesetzt werden sollten. Das ukrainische Außenministerium nannte die Vorwürfe "haltlos". Die Grenze sei zudem gar nicht geschlossen, hieß es in Kiew. Es scheint, als teile der belarussische Diktator nun einfach in alle Richtungen aus.

Sein wichtigster Adressat dürfte dabei in Moskau sitzen. Lukaschenko stellt sich gegenüber dem Kreml als Bollwerk gegen den Westen dar - und bekommt dafür Schützenhilfe. Als Lukaschenko im April behauptete, einer der amerikanischen Geheimdienste habe einen Anschlag auf ihn geplant, nahm der russische Geheimdienst FSB zwei belarussische Oppositionelle beim Mittagessen in Moskau fest, die dahinterstecken sollten: Alexander Feduta war in den Neunzigerjahren Pressesprecher Lukaschenkos gewesen, wurde später zu seinem Kritiker. Mit ihm gemeinsam nahm der FSB den Juristen Juri Zjankowitsch fest, der außer dem belarussischen auch einen US-amerikanischen Pass besitzt. Der US-Sender CNN berichtete am Dienstag, beide säßen heute in Belarus im Gefängnis.

Präsident Wladimir Putin hat vergangene Woche in Minsk angerufen, die Sanktionen gegen Lukaschenko als "illegitim" verdammt und ihm seine Solidarität zugesichert. Von dieser Solidarität hängt letztlich ab, wie lange sich der Diktator noch an der Macht halten kann.

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