Süddeutsche Zeitung

Belarus:Migranten versuchen, die Grenze zu Polen zu durchbrechen

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Schon den ganzen Tag hatte sich die Situation zugespitzt. Nun haben mehrere Menschen versucht, mit Hilfe von Spaten und einem Baumstamm den Stacheldrahtzaun zu überwinden.

An der Grenze zwischen Polen und Belarus haben Migranten offenbar versucht, den Grenzzaun zu durchbrechen. Ein solcher Versuch habe sich am Montagnachmittag in der Nähe des Grenzortes Kuznica ereignet, teilte das Verteidigungsministerium in Warschau auf Twitter mit. Auf einem dazu geposteten Video ist zu sehen, wie Männer mit Spaten und einem Baumstamm versuchen, den Stacheldrahtzaun an der Grenze umzureißen. Ein polnischer Uniformierter geht mit Tränengas gegen die Männer vor.

Belarussische und polnische Behörden hatten am Morgen übereinstimmend gesagt, dass sich eine größere Gruppe von Migranten zu Fuß auf die Grenze zubewegt. Das Verteidigungsministerium in Warschau veröffentlichte Luftaufnahmen, die eine große Menschenmenge in der Nähe der Grenze zeigten. Polens Regierung berief einen Krisenstab ein und sprach von einer weiteren feindlichen Aktion des Nachbarlandes. "Nach neuesten Informationen steht diese riesige Gruppe von Migranten unter der Kontrolle von bewaffneten belarussischen Einheiten, die entscheiden, wohin sie gehen darf und wohin nicht", schrieb Geheimdienstkoordinator Stanisław Żaryn auf Twitter.

Der belarussische Grenzschutz sprach am späten Nachmittag von 2000 Migranten, die die Grenze zu Polen überqueren wollten. Darunter seien Frauen und Kinder. Die Menschen wollten in die EU, um dort Schutz zu finden.

In einem vom Grenzschutz in Minsk veröffentlichten Video rief ein Mann, dass nicht Polen, sondern Deutschland das Ziel der Migranten sei. Die Menschen wollten auch nicht in Belarus bleiben, teilte die Behörde in Minsk mit. Die belarussischen Behörden warfen den polnischen Sicherheitskräften erneut vor, psychologischen Druck auf die Migranten auszuüben und Tränengas einzusetzen.

Dagegen wirft die EU dem belarussischen Diktator Alexander Lukaschenko vor, die Migranten aus verschiedenen Krisenregionen gezielt einfliegen zu lassen und in Bussen Richtung Grenze zu bringen. Sein Ziel sei es, die EU zu destabilisieren und sich für die Sanktionen gegen sein Land zu rächen. In der Grenzregion gab es bereits mehrere Todesfälle unter Migranten.

Polens Regierungssprecher Piotr Müller sagte der Nachrichtenagentur PAP, die Situation an der Grenze zu Belarus sei noch nie so kritisch gewesen. Man werde weitere Grenzschutzbeamte an den entsprechenden Abschnitt schicken und den Schutz der EU-Außengrenze verstärken. Außerdem sei man im ständigen Kontakt mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex.

Auch Litauen will Soldaten an die Grenze zu Belarus entsenden

Auch Litauen schickt Militär an seine Grenze zu Belarus, um sich auf einen möglichen Zustrom an Migranten vorzubereiten. Die litauische Innenministerin Agnė Bilotaitė sagte, ihr Kabinett erwäge, in dem Grenzgebiet den Ausnahmezustand zu verhängen. Wie viele Soldaten in die Region entsandt und wo genau diese postiert werden sollen, wollten die Behörden nicht angeben und führten Sicherheitsgründe dafür an.

Deutschland gilt als ein Hauptziel der Migranten. Nach Angaben aus dem Bundesinnenministerium kamen über Polen zuletzt täglich im Schnitt etwa 170 Migranten nach Deutschland. Ein weiterer Anstieg sei nicht zu verzeichnen, sagte Ministeriumssprecher Steve Alter. Auch die Zahl der Asylanträge sei nicht mehr angestiegen. Im Oktober hätten - ohne Berücksichtigung der in Deutschland geborenen Kinder von Schutzsuchenden - 11 586 Menschen erstmals einen Asylantrag gestellt, 4,6 Prozent weniger als im Vormonat.

Der geschäftsführende Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sei allerdings weiter der Auffassung, dass die irreguläre Migration "ein großes Thema bleiben wird". Die CDU/CSU-Fraktion will zur Lage an der deutsch-polnischen Grenze am Donnerstag einen Vorschlag im Bundestag einbringen. Seehofer hat Polen eine Intensivierung der gemeinsamen Streifen vorgeschlagen. Stationäre Grenzkontrollen durch die Bundespolizei sind bislang nicht geplant.

Die EU erkennt Lukaschenko seit der umstrittenen Präsidentenwahl im vergangenen Jahr nicht mehr als Staatsoberhaupt von Belarus (früher: Weißrussland) an. Unterstützt wird der "letzte Diktator Europas", wie ihn Kritiker nennen, von Russlands Präsident Wladimir Putin. Der Kreml begrüßte am Montag das Vorgehen der Behörden in Zusammenhang mit den Migranten. Lukaschenko geht mit großer Härte gegen jede Opposition vor.

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