Süddeutsche Zeitung

Bundesaußenministerin in Israel:Schlechte Stimmung

Lesezeit: 2 min

Nach dem Treffen von Außenministerin Annalena Baerbock mit Israels Premier Benjamin Netanjahu berichtet ein israelischer Sender über ein Wortgefecht. Botschafter Steffen Seibert dementiert.

Von Paul-Anton Krüger

Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, kennt sich aus im Umgang mit Medien. Er war Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel und zuvor selbst TV-Journalist. Man darf also davon ausgehen, dass er Für und Wider gut abgewogen hat, bevor er am Freitagmorgen eine Serie von Tweets auf der Plattform X absetzte.

"Zentrale Punkte in diesem Bericht über das einstündige Treffen zwischen Außenministerin Baerbock und Premierminister Netanjahu sind falsch und irreführend", schreibt der Diplomat zu einem Bericht des israelischen Fernsehsenders Channel 13 der Journalistin Moriah Asraf Wolberg. Ein solches Dementi ist ungewöhnlich.

Gegenstand war ein angebliches Wortgefecht zwischen Annalena Baerbock und Benjamin Netanjahu am Mittwoch bei ihrem Besuch in Israel über die humanitäre Lage im Gazastreifen. Baerbock fordert seit Monaten, Israel müsse mehr Hilfsgüter in das Palästinensergebiet lassen, und hatte ihre Rhetorik deutlich verschärft. Es dürfe "keine Ausreden" mehr geben, sagte sie, nachdem Israel auf Druck von US-Präsident Joe Biden hin angekündigt hatte, mehr Hilfe durchzulassen.

Laut Channel 13 hat Netanjahu Baerbock Bilder zeigen lassen, auf denen Märkte mit gut gefüllten Gemüseständen zu sehen waren und Palästinenser am Strand, die im Sand liegen, ins Wasser gehen. Solche Videos, die von der Küste bei Deir al-Balah stammen sollen, kursieren in sozialen Medien und haben in Israel kontroverse Debatten ausgelöst.

Baerbock erwiderte laut Channel 13, dass die Hungersituation in Gaza katastrophal sei. Das deckt sich mit der Einschätzung der Vereinten Nationen und internationaler Hilfsorganisationen, wobei die Versorgungslage auch nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes von Ort zu Ort unterschiedlich ist. Sie könne Bilder von hungernden Kindern zeigen, soll Baerbock entgegnet haben, sie soll Netanjahu geraten haben, die Videos nicht zu verbreiten.

Der Premier soll Bezug auf Nazideutschland genommen haben

Der Premier habe daraufhin mit erhobener Stimme bekräftigt, dass die Bilder echt seien und Israel nicht wie die Nazis eine erfundene Realität zeige. Die Nazis hatten 1942 etwa einen Propagandafilm mit gestellten Szenen des Alltags im Warschauer Ghetto drehen lassen. Baerbock habe Netanjahu daraufhin gefragt, ob er sagen wolle, dass Mediziner im Gazastreifen und internationale Medien nicht die Wahrheit berichteten.

Israelische Regierungsvertreter stellen die Lagebeschreibungen der UN und von Hilfsorganisationen immer wieder in Abrede. Es wäre nicht verwunderlich, wenn Baerbock darauf hingewiesen hätte, dass Aufnahmen florierender Märkte nicht die ganze Realität im Gazastreifen spiegeln, nimmt man ihre öffentlichen Äußerungen zum Maßstab.

Zu Seiberts Dementi dürfte Verärgerung beigetragen haben, dass Inhalte eines vertraulichen Gesprächs öffentlich gemacht wurden - und die Informationen sowie der Spin offenkundig aus Netanjahus Umfeld kommen. Baerbock sagte dazu am Freitag beim G-7-Außenministertreffen auf Capri, sie äußere sich nicht zum Inhalt vertraulicher Gespräche. Der Botschafter sei mit dem Stab von Premier Netanjahu in Kontakt gewesen und habe deutlich gemacht, was wir "von solchen verzerrenden Veröffentlichungen halten". Netanjahus Büro habe "Bedauern" ausgedrückt über die Veröffentlichung, deren Quellen unklar seien.

Dass sich Israels langjähriger Premier robuster Methoden bedient, haben schon andere deutsche Außenminister erfahren: Als sich Sigmar Gabriel mit zwei regierungskritischen Organisationen traf, die Israels Vorgehen im Westjordanland dokumentieren, ließ der Premier ein geplantes Treffen platzen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.6563922
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.