Süddeutsche Zeitung

Baden-Württemberg:Grün-Schwarz oder nichts

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Baden-Württembergs CDU tut sich schwer, in die Rolle des Juniorpartners der Grünen zu schlüpfen. Verständlich, aber es wäre zu ihrem Wohle.

Kommentar von Josef Kelnberger

Zuerst das Land, dann die Partei, dann die Person. Sehr pathetisch klingt der Spruch, hinter dem sich die Führung der baden-württembergischen CDU bei ihrem historischen Marsch in eine von Winfried Kretschmann geführte Regierung versammelt. Er wird Erwin Teufel zugeschrieben, dem Ministerpräsidenten von 1991 bis 2005, dem Säulenheiligen der Südwest-CDU. Die "Verantwortung für das Land", gar die "staatspolitische Verantwortung" ist in Politiker-Reden generell sehr en vogue, seit das Wahlvolk bei den drei Landtagswahlen vom 13. März den etablierten Parteien ungewohnte Bündnisse aufgezwungen hat. Und die Bürde für die Christdemokraten in Baden-Württemberg wiegt zweifellos besonders schwer.

Juniorpartner der Grünen, das ist eine schmerzliche Volte der Geschichte aus Sicht der einstigen Staatspartei. Manche CDU-Leute, nicht nur an der Basis, halten die Grünen nach wie vor für einen Haufen verblendeter Ideologen. Kein Wunder also, wenn die Anführer nach dem Wahldebakel den Satz des Teufel bemühen - zumal der Staatsbürger, aus Erfahrung klug geworden, schnell Opportunismus wittert, wenn jemand in die Regierung strebt. Schließlich gibt es auch in einer von den Grünen geführten Regierung schöne Ämter und gutes Gehalt, Dienstwagen und Auslandsreisen.

Die CDU hat gar keine andere Wahl

Die Alternative zum Bündnis mit den Grünen wären zudem Neuwahlen. Profitieren würde vermutlich die AfD, und das Wahlvolk würde noch sehr viel deutlicher dokumentieren, wen es als Ministerpräsident haben will: den Grünen Kretschmann. Bei Lichte betrachtet hat die CDU also gar keine andere Wahl, als diese Koalition mit den Grünen zu versuchen. Aber wirkt sie auch glaubwürdig dabei?

Wer nach Indizien für eine Vertrauenskrise der etablierten Parteien und ihrer Anführer sucht, wird bei den baden-württembergischen Christdemokraten fündig. Personell und programmatisch ausgezehrt, ist die Partei vom Zustand der Arroganz der Macht hineingeschlittert in tiefste Verunsicherung. Dass Spitzenkandidat Wolf seine Wahlniederlage in einen Sieg umzudeuten versuchte, hat dem Ansehen der Partei geschadet und viele Mitglieder zutiefst empört. Auch deshalb erwägt die Spitze, über einen Koalitionsvertrag mit den Grünen am Ende die Mitglieder abstimmen zu lassen, wie die SPD nach der Bundestagswahl 2013. Das scheint nahe zu liegen angesichts der Stimmung an der Basis.

Die baden-württembergische CDU muss die Führungsfrage klären

Und doch wäre das der falsche Weg. Der Spitzenkandidat ist aus einem Mitglieder-Entscheid hervor gegangen, das Ergebnis - der Mann und sein Wahlresultat - sollte Warnung genug sein. Der Schlüssel, die Partei zu befrieden, liegt darin, die Führungsfrage zu klären. Und so wäre es das beste für diese Koalitionsverhandlungen, sollte einer der Modernisierer in der CDU, zum Beispiel der Landesvorsitzende Strobl, Grün-Schwarz zu seinem ganz persönlichen Projekt machen.

Erst das Land, dann die Partei, dann die Person? Der Spruch klingt merkwürdig gestrig. Wirklich glaubwürdig wirkt ein Politiker, der mit seinen Überzeugungen und auch seinen Ambitionen die Partei hinter sich bringt; am Ende wird, wenn alles gutgeht, das Land profitieren. Die Menschen "mitzunehmen", gehört zweifellos zur Aufgabe eines Anführers. Aber wer führen will, muss zunächst vorangehen. Das haben die Erfolge von Winfried Kretschmann und Malu Dreyer gezeigt. Und auch in der Geschichte der Südwest-CDU gibt es genügend Vorbilder, etwa Lothar Späth.

Eine Entscheidung über Koalitionsverhandlungen will die Parteiführung nächste Woche fällen, am Tag, an dem Späth begraben wird. Für Späth, das Cleverle, sein Leben lang ein fast manischer Modernisierer, wäre es wohl keine Frage: Natürlich muss man diese Koalition wagen. Grün-Schwarz, auch zum Wohle der CDU.

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Quelle:
SZ vom 24.03.2016
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