Süddeutsche Zeitung

Atomkraft-Debatte:AKW-Betreiber spricht sich gegen Habecks Plan aus

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Der Chef der Betreiberfirma von Isar 2 hält ein Hochfahren des Reaktors bei Bedarf für "technisch nicht machbar". Das Wirtschaftsministerium reagiert pikiert.

Von Michael Bauchmüller und Henrike Roßbach, Berlin

Der geplante Reservebetrieb für zwei süddeutsche Atomkraftwerke wird zur Kraftprobe zwischen Regierung und AKW-Betreibern. In einem Schreiben an das von Robert Habeck geführte Bundeswirtschaftsministerium lehnt der Chef der Betreiberfirma des bayerischen Reaktors Isar 2, Preussen-Elektra, den Reserve-Plan ab. Es gebe dafür "keine Erfahrungswerte". Die Idee, Reaktoren bei Bedarf wieder hochzufahren, sei "technisch nicht machbar und daher ungeeignet, um den Versorgungsbeitrag der Anlagen abzusichern", heißt es in dem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Ein Sprecher des Eon-Konzerns, zu dem Preussen-Elektra gehört, äußerte sich ähnlich.

Hintergrund ist der Plan des Wirtschaftsministeriums, für den Winter zwei der drei verbliebenen Atomkraftwerke nicht planmäßig stillzulegen, sondern in eine "Kaltreserve" zu überführen. Nach der Vorstellung des Bundeswirtschaftsministeriums sollen sie nur dann weiter Strom produzieren, wenn sich Engpässe im europäischen Stromnetz abzeichnen - und das bis spätestens Mitte April. Neben Isar 2 beträfe das auch das baden-württembergische AKW Neckarwestheim 2.

Das Wirtschaftsministerium reagierte pikiert auf das Schreiben der Eon-Tochter. Er habe den Brief "mit Verwunderung zur Kenntnis genommen", heißt es in einer Antwort von Energie-Staatssekretär Patrick Graichen. Sie liegt der SZ ebenfalls vor. Preussen-Elektra habe zugesichert, "dass Sie mit Ihrer Mannschaft und dem AKW Isar 2 für einen weiteren Betrieb bereitstehen, wenn es erkennbare Mangellagen bei Strom und Gas erfordern", schreibt Graichen. "Ich gehe davon aus, dass Ihr Angebot ernst gemeint war." Offenbar gebe es zudem Missverständnisse, was den konkreten Reservebetrieb angehe. Geplant sei nicht, die Reaktoren "flexibel an- und abzufahren", sondern sie je nach Bedarf entweder ganz am Netz zu lassen oder gar nicht. Auch Habeck selbst meldet sich zu Wort. "Das Konzept ist offensichtlich nicht verstanden worden", sagt der Grüne.

Der Druck auf das Wirtschaftsministerium wächst zusehends. Der Präsident des Industrieverbands BDI, Siegfried Russwurm, kritisierte die Atompläne am Mittwoch scharf. "Dass die Regierung in der größten Energiekrise in der Geschichte der Bundesrepublik auf den Strom aus Kernkraftwerken verzichtet, ist schlecht für Energieversorgung und Energiepreise", sagte er in einer Erklärung. Passend dazu legte der Verband die Ergebnisse einer Blitzumfrage vor, nach der mehr als ein Drittel der Firmen in hohen Preisen für Energie und Rohstoffe eine "existenzielle Herausforderung" sieht. Jedes zehnte Unternehmen habe seine Produktion gedrosselt oder unterbrochen.

Die Atomkraft war am Mittwoch auch Thema eines scharfen Schlagabtauschs zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Oppositionsführer Friedrich Merz im Bundestag. Das Festhalten am Atomausstieg sei das "Meisterstück" der Regierung, kritisierte Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) zum Auftakt der Generaldebatte anlässlich der Haushaltswoche. Dabei handele es sich bei der Energiekrise um einen Angebotsschock, weshalb alle Möglichkeiten genutzt werden müssten, das vorhandene Angebot auszuschöpfen. Scholz dagegen verteidigte den Kurs der Regierung vehement. Mit Blick auf die Energieversorgung versicherte der Kanzler: "Wir werden wohl durch den Winter kommen."

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