Süddeutsche Zeitung

USA oder Schweden:Wohin mit Wikileaks-Gründer Julian Assange?

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Wenn es nach dem Willen von mehr als 70 britischen Unterhausabgeordneten geht, dann soll Wikileaks-Gründer Julian Assange an Schweden ausgeliefert werden. Dafür haben sie am Freitag einen Brief an den britischen Innenminister Sajid Javid verfasst. Der solle alles unternehmen, damit Assange nach Schweden und nicht in die USA überstellt wird - sofern das Land einen entsprechenden Antrag stellt. Die Abgeordneten kritisieren in ihrem Brief auch, dass US-Behörden offenbar über die anstehende Verhaftung Assanges vorab informiert waren, die schwedische Behörden aber nicht. Derzeit befindet sich Assange in Großbritannien in Haft.

Die USA fordern die Auslieferung des 47-Jährigen. Sie werfen ihm Verschwörung zum Einbruch in einen Computer des Verteidigungsministeriums vor. Assange soll der Whistleblowerin Chelsea Manning geholfen haben, ein Passwort eines Computernetzwerks der Regierung zu knacken. Für dieses Vergehen drohen ihm nach Angaben des US-Justizministerium bis zu fünf Jahren Haft.

Die USA haben Berichten zufolge schon länger versucht, Ecuador zur Auslieferung Assanges zu bewegen. Der Wikileaks-Gründer hatte sieben Jahre in der Londoner Botschaft des südamerikanischen Landes im Exil gelebt. Der Botschafter Ecuadors in Deutschland, Manuel Mejía Dalmau, berichtete der Welt am Sonntag von einem Treffen mit US-Botschafter Richard Grenell: "Das Erste, worauf er mich ansprach, war Julian Assange", wird Dalmau zitiert. Grenell habe Ecuador zur Auslieferung Assanges aufgefordert. Die USA seien auch bereit gewesen, eine Garantie abzugeben, dass Assange nicht zum Tode verurteilt würde. Dalmau sagte der Zeitungs, seine Regierung in Quito habe den Vorschlag abgelehnt. "Es gibt keinen Deal mit den USA", betonte Dalmau. Ecuador hatte Assanges Exil am Donnerstag beendet, und dies offiziell unter anderem damit begründet, der Australier habe bei seinem Aufenthalt wiederholt gegen Vorschriften verstoßen und sich unhöflich und aggressiv verhalten.

Der Wikileaks-Gründer war im Jahr 2010 nach Großbritannien geflüchtet, nachdem die schwedische Staatsanwaltschaft wegen sexuellen Fehlverhaltens gegen ihn ermittelte. Assange bestreitet die Vorwürfe. Um einer Auslieferung an Schweden zu entgehen, floh er in die ecuadorianische Botschaft und bat dort um Asyl. Vor zwei Jahren setzte die schwedische Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Assange aus; weil nicht absehbar war, wie sie Assange in der Botschaft erreichen könnte. Die zuständige Staastanwältin Marianne Ny hatte jedoch zum Zeitpunkt der vorläufigen Einstellung gesagt, sie wäre bereit zu "entscheiden, die Ermittlungen umgehend wiederaufzunehmen", sollte sich Assange zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung stellen.

Dieser Zeitpunkt könnte bald kommen. Die Anwältin des schwedischen Opfers hat bereits angekündigt, dass ihre Mandantin weiterhin an einer Strafverfolgung Assanges interessiert ist. Sie schrieb, sie werde alles dafür tun, dass die Polizei ihre Ermittlungen wiederaufnehme und Assange doch noch nach Schweden ausgeliefert werde. Damit das passieren kann, muss die schwedische Staatsanwaltschaft das Verfahren zunächst wieder aufnehmen und dann den Auslieferungsantrag erneut stellen. Dann läge die Entscheidung beim britischen Innenminister. Der muss dabei laut britischem Recht nach mehreren Kriterien abwägen, unter anderem geht es um die Schwere der zu Last gelegten Verbrechen, wann der erste Haftbefehl vorlag und wo die mutmaßlichen Verbrechen stattgefunden haben.

Fraglich ist, ob Assange oder den Briten mit einer Auslieferung an Schweden geholfen wäre. Nach dem Abschluss eines möglichen Verfahrens in Schweden könnte Assange immer noch an die USA ausgeliefert werden. Dafür müsste dann nach EU-Regeln auch Großbritannien wieder seine Zustimmung geben.

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