Süddeutsche Zeitung

Bundesregierung:Familienministerin Spiegel tritt zurück

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Nach nur vier Monaten verliert die Ampelkoalition ihr erstes Kabinettsmitglied. Die Grünen-Politikerin reagiert auf die Kritik an ihrem Frankreich-Urlaub nach der Flutkatastrophe im Juli 2021. Damals war sie Umweltministerin in Rheinland-Pfalz.

Von Tobias Bug und Kassian Stroh

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) ist zurückgetreten. "Aufgrund des politischen Drucks" habe sie sich entschieden, ihr Amt zur Verfügung zu stellen, heißt es in einer Erklärung, die ihr Haus am frühen Nachmittag verbreitete. "Ich tue dies, um Schaden vom Amt abzuwenden, das vor großen politischen Herausforderungen steht."

Spiegel steht wegen eines vierwöchigen Frankreich-Urlaubs nach der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 stark in der Kritik. Damals war sie rheinland-pfälzische Umweltministerin, im Dezember wechselte sie in die neue, von SPD, Grünen und FDP gebildete Bundesregierung. Bei einem emotionalen Auftritt am Sonntagabend hatte sie den Urlaub noch als Fehler bezeichnet und sich dafür entschuldigt. Dabei räumte sie auch ein, dass sie sich anders als ursprünglich mitgeteilt nicht aus den Ferien zu den Kabinettssitzungen zugeschaltet hatte. Zu den Rücktrittsforderungen aus der Opposition, etwa von CDU-Chef Friedrich Merz, hatte sich Spiegel auf der Pressekonferenz am Sonntagabend nicht geäußert.

Keine 24 Stunden später zog sie die Konsequenzen und gab ihr Amt als Bundesfamilienministerin ab. Für die Ampelkoalition ist es der erste Rücktritt einer Ministerin. In ihrer kurzen Erklärung vom Montagnachmittag dankte Spiegel "allen, die mich solidarisch unterstützt haben". Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte kurz zuvor noch über die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann mitteilen lassen, er arbeite "eng und vertrauensvoll" mit Spiegel zusammen. Nach dem Rücktritt äußerte er "großen Respekt", wie Hoffmann sagte. "Er wünscht ihr nach dieser schweren Zeit für die Zukunft alles Gute."

Grüne wollen die Nachfolge rasch klären

Die Grünen reagierten mit Dank und Verständnis. "Spiegel hat Fehler eingestanden in einer Offenheit, die es im politischen Betrieb so nicht gegeben hat", sagte der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour. "Der Schritt zurückzutreten ist richtig. Wir danken ihr sehr für ihre Entscheidung und ihre gute Arbeit als Familienministerin." Die Partei werde sehr bald einen Vorschlag für die Nachfolge vorlegen. Nouripours Co-Chefin Ricarda Lang sagte: "Hinter uns als ganze Partei liegen schwierige Stunden, Stunden, die uns allen nochmal gezeigt haben, mit welchen Härten politische Verantwortung, ein öffentliches Amt verbunden sind." Man sei mit Spiegel eng in Kontakt gestanden. "Wir haben großen Respekt vor ihrem Mut, vor ihrer Klarheit und danken ihr für dieses persönliche Statement, das uns sehr nahe ging."

Die ehemalige Grünen-Vorsitzende und jetzige Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zeigte sich bewegt vom Rücktritt Spiegels. "Anne Spiegel ist durch eine extrem harte, persönlich unglaublich schwere Zeit gegangen", sagte sie. "Mit dem heutigen Tag ist für sie nicht nur politisch, sondern auch persönlich ein Weg beschritten worden, der glaube ich deutlich macht, wie brutal Politik sein kann."

Mit Spiegels Rücktritt findet eine steile politische Karriere ihr vorläufiges Ende. Die 41-Jährige war über die Grüne Jugend in die Politik gekommen und wurde 2011 in den Landtag von Rheinland-Pfalz gewählt. In der von 2016 an regierenden Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen von SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer wurde Spiegel rheinland-pfälzische Familienministerin, Anfang 2021 übernahm sie zusätzlich auch das Umweltministerium. Im Wahlkampf 2021 war sie Spitzenkandidatin ihrer Partei und wurde in der neu gebildeten Regierung Ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität sowie Dreyers Stellvertreterin. Nur wenige Monate später wechselte sie als neue Familienministerin in die Bundespolitik.

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