Süddeutsche Zeitung

Afghanistan:Alle wollen raus - auch Guttenberg

Lesezeit: 3 min

Verteidigungsminister Guttenberg will einen festen Zeitpunkt für den Rückzug aus Afghanistan- und die SPD intern über ihre Politik abstimmen lassen.

Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist nicht grundsätzlich gegen die Festlegung eines Datums für den Beginn des Rückzugs der Bundeswehr aus Afghanistan. Er halte es für richtig, "wenn wir gegenüber den Bürgern jetzt klar machen, wann der Abzug beginnen soll, welche Ziele wir verfolgen und welche Zwischenschritte dafür notwendig sind," sagte er der Bild am Sonntag.

Gleichzeitig warnte er jedoch davor, einen konkreten Termin für das Ende des Abzugs zu nennen. "Damit würden wir beispielsweise den Kräften Vorschub leisten, die Afghanistan wieder zu einem Zentrum des weltweiten Terrorismus machen wollen", sagte Guttenberg.

Der CSU-Politiker sagte weiter, man müsse sich von dem Ziel verabschieden, in Afghanistan eine Demokratie nach westlichem Vorbild etablieren zu wollen: "Ich bin schon länger zu der Überzeugung gelangt, dass Afghanistan gerade wegen seiner Geschichte und seiner Prägung sich nicht als Vorzeige-Demokratie nach unseren Maßstäben eignet."

Der CSU-Politiker betonte, nicht alle Aufständischen in Afghanistan stellten ein gleichermaßen großes Risiko dar: "Wir müssen uns fragen, wer von den Aufständischen stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Staatengemeinschaft dar und wem geht es um afghanische Angelegenheiten. Die Frage der Menschenrechte muss dabei einbezogen werden, ohne die gewachsenen Kulturen in Afghanistan zu ignorieren."

Einbindung der Taliban an Bedingungen geknüpft

Für eine dauerhafte Befriedung Afghanistans darf nach Überzeugung Guttenbergs eine Regierungsbeteiligung gemäßigter Taliban nicht ausgeschlossen werden. Man könne "in einem Land mit einer so großen regionalen Vielfalt nicht einen ganzen Volksstamm wie die Paschtunen außen vor lassen", argumentierte er.

Allerdings schränkte Guttenberg ein: "Gespräche und eine Einbindung dürfen freilich nicht ohne Bedingungen vorgenommen werden. Inakzeptabel wäre der Gedanke etwa, wenn universell geltende Menschenrechte unmittelbar ausgehebelt würden."

Er räumte ein, in der Vergangenheit zu der Einbeziehung der Taliban eine gegenteilige Auffassung vertreten zu haben, allerdings müssten, "um den momentanen Realitäten in Afghanistan gerecht zu werden", viele - auch "steinige" - Wege beschritten werden.

Die SPD wiederum möchte ihre Position zum Afghanistan-Einsatz laut Spiegel an der Parteibasis zur Diskussion stellen. Nach einer Debatte des Parteivorstands mit Altbundeskanzler Helmut Schmidt am 25. Januar solle ein Beschlussvorschlag an die Basis gehen, die im Februar Zeit haben werde, über diesen Vorschlag zu debattieren. Auf Grundlage der Rückmeldung solle die Parteispitze dann die SPD-Position beschließen. Parteichef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier haben die Entsendung zusätzlicher Kampftruppen nach Afghanistan bereits ausgeschlossen.

Klein verteidigt Entscheidung zum Luftschlag

Unterdessen wurden weitere Einzelheiten einer Stellungnahme des deutschen Obersts Georg Klein bekannt, die dieser nur einen Tag nach dem umstrittenen Luftschlag auf zwei Tanklaster in Nordafghanistan verfasst hatte. In dem Papier vom 5. September verteidigt Klein seinen Angriffsbefehl offenbar vehement, wie der Spiegel berichtet.

Er habe "lange um die Entscheidung zum Einsatz gerungen, um Kollateralschäden und zivile Opfer nach bestem Wissen und Gewissen auszuschließen", heißt es demnach in dem Bericht, der bislang nur in Teilen bekannt war.

In der auf Anforderung des Einsatzführungskommandos in Potsdam verfassten Erklärung schreibt der in der Folge der Ereignisse vom 4. September entlassene Oberst Klein weiter, ihm sei es zu verdanken, dass es nicht zu Schlimmerem gekommen sei. Er habe "den Waffeneinsatz gegen den Antrag der Piloten nur auf die Tanklastzüge und die sie umringenden Personen und nicht gegen weitere, am Flussufer beiderseits aufgeklärte Personen und Kfz freigegeben" sowie "den Waffeneinsatz gegen ausweichende Personen verboten".

Auch Verteidigungsminister Guttenberg äußerte sich in der Bild am Sonntag erneut zur Kundus-Affäre: Er sei bereit, seine Darstellung über die Umstände der Entlassung von Ex-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan zu beeiden. Sollte es der ab Januar tagende Untersuchungsausschuss des Bundestags für notwendig erachten, werde er seine Aussage "selbstverständlich auch unter Eid machen", sagte Guttenberg.

Schneiderhan hatte dem Minister vorgeworfen, über die Umstände seiner Entlassung die Unwahrheit gesagt zu haben. Sollten beide ihre Versionen im Ausschuss beeiden, könnte dies staatsanwaltliche Ermittlungen nach sich ziehen.

Die Bomben seien ausschließlich über der Sandbank abgeworfen worden, "um Kollateralschäden zu benachbarten Ortschaften definitiv auszuschließen". Er habe auch "gegen die Empfehlung" der US-Piloten kleinere Bomben als Einsatzmittel eingefordert.

Letztlich habe er das Kommando zum Angriff gegeben, weil er nach Lage der Dinge davon habe ausgehen können, "durch den Einsatz eine Gefahr für meine anvertrauten Soldaten frühzeitig abwenden zu können und andererseits mit höchster Wahrscheinlichkeit dabei nur Feinde des Wiederaufbaus Afghanistans zu treffen", zitierte der Spiegel.

Bei dem Angriff starben nach Nato-Angaben bis zu 142 Menschen - unter ihnen auch viele Zivilisten. Mit den Vorgängen wird sich ein Untersuchungsausschuss des Bundestages befassen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.74526
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
dpa/AFP/jobr/gba
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.