Süddeutsche Zeitung

AfD-Parteitag:Geeint gegen die Welt da draußen

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Die oft unberechenbare Basis der AfD folgt auf dem Parteitag dem Plan ihrer Granden, die Führung stabilisiert sich - und der extrem rechte Flügel demonstriert seine Stärke.

Von Jens Schneider, Braunschweig

Es geht ungewöhnlich schnell an diesem Samstagnachmittag, geschmeidig läuft dieser Parteitag im Sinne des Bundesvorstands der AfD. Die sonst oft so unberechenbare Basis der rechtsnationalen Partei folgt ganz dem Plan ihrer Granden, als es in der Volkswagenhalle in Braunschweig um die Wahl ihres neuen Führungsduos Jörg Meuthen und Tino Chrupalla geht. Die vorab getroffenen Absprachen gehen auf. Es gibt kein Durcheinander, kein Chaos. In der Partei mögen sie darüber erleichtert sein. Es hat einige schlimme Parteitage und Wahlen bei der AfD gegeben. Aber geklärt hat diese Partei nichts, weder ihre internen Verwerfungen - noch die Frage, wie sie politikfähig werden will.

Ihre Anführer befeuern die Verachtung und den Hass auf die anderen Parteien, die Grünen genauso wie die SPD und besonders häufig die CDU, als wäre ein Wettbewerb um die übelsten Grobheiten ausgerufen worden. Das bedient die Gefühlswelt der eigenen Anhänger, nährt ihren Eifer, bringt Applaus. Aus der gedanklich geschlossenen AfD-Welt hinaus führt es nicht.

Klar wiedergewählt wurde der bisherige Parteichef Jörg Meuthen mit 69 Prozent der Stimmen, und das obwohl seine öffentlich bekannten Probleme von parteiinternen Gegnern im Saal offen angesprochen werden. Die Partei musste wegen der Spendenaffären, in deren Zentrum auch Meuthen steht, für hohe Strafzahlungen vorsorglich viel Geld zur Seite legen. Er ist einer der Gewinner dieses Parteitags. Meuthen triumphierte mit dem Versprechen, die AfD für die Übernahme von Regierungsverantwortung professionalisieren. Neu ist, wie klar Meuthen und auch einige andere dieses Ziel formulieren. Rechte Fundamentalopposition soll nicht mehr reichen.

Nicht neu ist, dass der Parteichef wenig darüber sagt, wie das passieren soll. Und mit welchen Partnern, wenn alle anderen außerhalb der AfD nur Feinde sein sollen.

Die AfD-Fraktion im Bundestag ist längst das Machtzentrum. Der Bundesvorstand dürfte nun noch schwächer werden

Als weiterer Parteivorsitzender mit rund 55 Prozent der Stimmen gewählt wurde auch Tino Chrupalla, der bisher eher unbekannte Malermeister aus Sachsen, als Nachfolger von Alexander Gauland. So kann sich Gauland wie von ihm gewollt aus der Parteispitze zurückziehen. Als Fraktionschef der AfD im Bundestag wird er weiter ihre Schlüsselfigur bleiben, sie ist längst das Machtzentrum der AfD geworden. Der Bundesvorstand dürfte nach dieser Wahl eher noch schwächer sein im Gefüge der AfD. Gaulands Nachfolger ist noch nicht als eigenständiger Kopf in der Partei aufgefallen.

Das Kalkül der Führung könnte aber mit Blick auf die eigenen Anhänger aufgehen. Chrupallas Wahl hat Symbolcharakter: Er bot sich erfolgreich als ergänzendes Pendant zu Meuthen an. Es wäre gut, wenn ein Handwerksmeister und ein Akademiker die Partei führen, erklärte er; und gut sei es auch, wenn einer aus dem Westen komme, der andere aus dem Osten. Es wird sich freilich zeigen, ob er die Partei überzeugend nach außen vertreten kann. Maßlose Angriffslust - wie zuletzt bei seiner Beschimpfung der Kanzlerin zum Jahrestag des Mauerfalls - allein wird nicht reichen.

Chrupallas Erfolg gegen den Berliner Gottfried Curio zeigt auch, dass Björn Höckes äußerst rechter Flügel sich als anerkannter Machtfaktor in der Partei etabliert hat. Ohne die Stimmen und die Empfehlungen dieses extrem rechten Lagers wäre Chrupalla nicht gewählt worden. Wer nach diesem Tag von einem Erfolg der Gemäßigten in der AfD spricht, hat die Partei nicht verstanden. Höckes Leute demonstrierten auch ihre Stärke. So blockierte das rechte Lager bei der Wahl weiterer Vorstandsmitglieder die Kandidaten, die nun wirklich zum etwas gemäßigteren Lager gezählt werden könnten, etwa den Berliner Landeschef Georg Pazderski. Er hat sich oft offen gegen Höcke gestellt und musste nun offenbar dafür zahlen.

Pazderski ist einer der wenigen, die wenn auch zaghaft sagen, dass die AfD lernen muss, sich zu mäßigen. Er bekam dafür die Quittung von rechts, obwohl auch er sich in seiner Rede anstrengte, besonders doll gegen die CDU zu holzen.

Das ist die AfD 2019, konsolidiert in ihrer einsamen Stärke am rechten Rand. Es gibt auf diesem Parteitag keinen weiteren Rechtsruck - wozu auch, könnten die Rechten sagen: Man ist ja längst weit rechts im politischen Spektrum angekommen, auch auf dem Parteitag in Braunschweig, mit Stimmungsmache gegen Flüchtlinge und Migranten, mit Hass auf den Islam und Tiraden gegen alle, die nicht so deutschnational denken wie man selbst. Da kann man sich auch von unappetitlichen Erscheinungen distanzieren: Dem üblen Antisemiten Wolfgang Gedeon wurde demonstrativ eine klare Absage erteilt, als er sich um einen Platz im Parteivorstand bewarb.

So hat sich die AfD nach sechs Jahren als neue Partei mit einer solide erscheinenden Führung stabilisiert. Sie ist aber weit davon entfernt, politisch erwachsen zu werden, auch wenn Alexander Gauland das in seinem Begrüßungswort zur Eröffnung gern sehen wollte. Nach seiner Analyse wird die AfD zwangsläufig schon bald zum einzig möglichen Partner für die CDU werden, weil sie niemanden sonst hätte. In der gleichen Rede nannte er diese Partei "verrottet". Vermutlich hat der Mann, der an diesem Wochenende noch Ehrenvorsitzender der AfD werden soll, in seiner Partei niemanden mehr, der ihm noch sagen könnte, dass das nicht zusammenpasst - und weder konservativ noch bürgerlich ist, und schon gar nicht der Ton der Mitte.

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