Süddeutsche Zeitung

AfD:Machtprobe zum Wahlkampfstart

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Die AfD kommt nicht aus dem Umfragetief. Jetzt belastet auch noch ein interner Machtkampf den Start in die heiße Phase vor der Bundestagswahl.

Von Markus Balser, Berlin

Er nannte sich das "freundliche Gesicht des NS" und sprach von sich als "demokratischer Freisler". Trotz solcher Vergleiche und Anspielungen auf den Richter Roland Freisler, der für Tausende Todesurteile in der Zeit des Nationalsozialismus verantwortlich war, darf der nordrhein-westfälische AfD-Politiker Matthias Helferich in der Partei bleiben. Der Bundesvorstand der AfD beschloss am Montag in einer Telefonkonferenz nach längerem Streit mehrheitlich lediglich eine Ämtersperre. Für einen Parteiausschluss fand sich dagegen keine Mehrheit.

Dauer und Härte der Strafe soll das Schiedsgericht der AfD festlegen. Damit gilt als wahrscheinlich, dass Helferich nach der Wahl im Herbst in den Bundestag einziehen kann. Er belegt auf der NRW-Landesliste einen aussichtsreichen siebten Platz. Seinen Vizeposten im Landesverband könnte er jedoch verlieren.

Das Votum gilt zum Start in die heiße Wahlkampfphase als Machtdemonstration der zuletzt erstarkten äußerst Rechten in der Partei. Das für AfD-Verhältnisse gemäßigte Lager um Parteichef Jörg Meuthen konnte sich nicht mit dem Ziel durchsetzen, Helferich ganz aus der Partei auszuschließen. Dagegen votierte etwa Co-Parteichef Tino Chrupalla. Zwar distanzierte sich auch er von den Äußerungen des umstrittenen Landespolitikers. Mehr als die Ordnungsmaßnahmen seien in diesem Fall aber nicht möglich, sagte Chrupalla in Berlin. Die Äußerungen in einem privaten Chat seien nur als Persiflage gemeint gewesen. So hatte sich auch Helferich selbst geäußert.

Der Machtkampf belastet den Wahlkampfstart der Partei. Das Spitzenduo Chrupalla und Alice Weidel machte auf einer Pressekonferenz in Berlin vor einer Reihe von Auftritten klar, dass sich die AfD neben dem Thema Migration die Schwerpunkte Corona- und Finanzpolitik vornehmen will. Umfragen zufolge tut sich die Partei bislang schwer damit, auf Stimmenfang zu gehen. Sie sehen die AfD mit neun bis elf Prozent derzeit deutlich unter dem Ergebnis der Wahl von 2017 (12,6 Prozent).

Die AfD-Spitzenkandidatin findet es eine interessante Idee, das "Asyl auszusetzen"

Der Auftritt von Weidel und Chrupalla legte nahe, dass die AfD in den nächsten Wochen weit rechts auf Stimmenfang gehen will. Deutschland sei mit der Einwanderung "überfordert", sagte Weidel etwa und nannte es eine interessante Idee, das "Asyl auszusetzen". Das allerdings würde dem Grundgesetz widersprechen, als dessen Wahrer die AfD eigentlich auftritt. Dort ist das Grundrecht ohne Ausnahmen verankert. Politisch Verfolgte genießen in Deutschland demnach uneingeschränktes Recht auf Asyl.

Vor allem beim Thema Corona tut sich die AfD schwer, eine gemeinsame Linie zu finden. Während Spitzenkandidatin Alice Weidel am Montag den Nutzen der Corona-Impfung anzweifelte und sich vorerst nicht impfen lassen will, haben sich AfD-Chef Meuthen und Fraktions-Co-Chef Alexander Gauland impfen lassen. Man müsse sich die Frage stellen: "Schützt denn diese Impfung wirklich?", sagte Weidel. Allerdings fordert sie auch: "Es darf keinen Lockdown mehr geben. Wir wollen zurück zur Normalität." Eine hohe Impfquote gilt in der Wissenschaft als aussichtsreicher Weg, weitere Einschränkungen zu vermeiden.

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