Süddeutsche Zeitung

AfD:AfD-Mitarbeiter gründen Betriebsrat

Lesezeit: 2 min

Die AfD als neue Arbeiterpartei? Beschäftigte der eigenen Fraktion sehen das anders - und fühlen sich zu konspirativen Mitteln gezwungen.

Von Markus Balser, Berlin

Wer in Deutschland Arbeitnehmerrechte vertritt? Die AfD hat in Wahlkämpfen eine klare Botschaft: "Das Rot der Arbeitnehmer ist jetzt Blau!", versprach die Alternative für Deutschland zur Bundestagswahl 2017 auf Plakaten. Ihre Bundestagsfraktion beschäftigt selbst etwa 100 Mitarbeiter - doch viele von ihnen schütteln über solche Slogans inzwischen den Kopf. Sie mussten diese Woche erleben, was passiert, wenn es in den eigenen Reihen um mehr Mitbestimmung geht.

Denn für Donnerstag war ein Novum angesetzt. Erstmals in der mittlerweile viereinhalbjährigen Fraktionsgeschichte wollten deren Mitarbeiter die Gründung eines Betriebsrats beschließen. Einflussreiche Teile der Fraktion versuchten jedoch, den Vorstoß in letzter Minute zu torpedieren. Am Mittwoch machte plötzlich eine Brandmail die Runde. Die Betriebsratsinitiatoren müssten sich fragen lassen, "ob sie sich nicht gemein machen mit einer zerstörerischen Feindseligkeit, bei der wir am Ende alle verlieren werden", warnte das sogenannte Vertrauensgremium, eine kommissarisch von der Fraktionsspitze um Tino Chrupalla und Alice Weidel eingesetzte Vertretung.

Die interne Mail legt heftigen Streit offen. Von einem fraktionsinternen "Privatkrieg" und einer "Hasskampagne" war in der Mail die Rede. Und davon, dass ein Betriebsrat bei der AfD gar keine Legitimation habe. Es könne "keine Mitarbeitervertretung gegen den Arbeitgeber geben", schrieben die Gegner des Vorhabens. "Das heißt, dass die morgige Veranstaltung überhaupt keinen Erfolg haben kann", warnten die Absender weiter.

Erfolg hatte das Treffen dann allerdings doch. Vielleicht auch, weil die Befürworter eines Betriebsrats in der AfD von Anfang an mit starkem Gegenwind gerechnet hatten. Sie reservierten den Fraktionssaal, fürchteten aber, die Führung würde ihnen den Raum unter einem Vorwand wieder wegnehmen - deshalb mieteten die Organisatoren gleich drei verschiedene Tagungsmöglichkeiten im Bundestag an.

Intransparent und verkrustet

Am Ende fand das Treffen doch wie vorgesehen im Fraktionssaal statt - und endete mit einem klaren Votum. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung stimmten bei der Gründungsversammlung 33 Mitarbeiter für einen Betriebs- oder Personalrat und nur neun für die Fortsetzung des rechtlich schwächeren Vertrauensgremiums - die Gegner waren düpiert.

Damit allerdings bricht nun in der Fraktion eine seit Monaten schwelende Auseinandersetzung noch weiter auf. Schon vor Wochen war heftiger Streit unter Referenten über angeblich intransparente Personalentscheidungen durch die Fraktionsspitze entbrannt. Es gehe etwa um die Vergabe wichtiger Posten und die Höhe von Gehältern, um eine angebliche "Hire-and-Fire-Mentalität" in der Fraktion angesichts des wegen der Mandatsverluste im Herbst nötigen Sparkurses. Und um verkrustete Machtstrukturen. Dagegen wollen die Mitarbeiter nun intern per Betriebsrat schärfer vorgehen.

Auch Abgeordnete wissen um einigen Frust. Sie sehen den Startschuss für den Betriebsrat als unmissverständliche Kritik an der eigenen Führung: "Das ist auch als Misstrauensvotum gegen die Fraktionsspitze um Tino Chrupalla und Alice Weidel zu sehen", heißt es aus den Reihen der Abgeordneten. In der Fraktion wird nun ein Gremium eingesetzt, das die Wahl organisiert. Voraussichtlich am 19. Mai sollen Vertreter gewählt werden.

Vor allem für Chrupalla, der auch Parteichef ist und als solcher auf einem Bundesparteitag im Juni wiedergewählt werden möchte, kommt der Wirbel ungelegen. Zuletzt haben ihn andere AfD-Abgeordnete hart kritisiert, weil er sich zunächst nicht von Russlands Krieg distanziert hatte.

Die Führung macht gute Miene

Die Mehrheit des Vorstands habe die Gründung eines Betriebsrats bis zuletzt sehr kritisch gesehen, sagt ein Insider. Intern ist davon die Rede, dass Mitarbeitern für den Fall einer Teilnahme an dem Gründungstreffen aus der Fraktion heraus Sanktionen angedroht worden sein sollen. Die AfD hat der Süddeutschen Zeitung auf die Vorwürfe nur indirekt geantwortet und erklärt, die Fraktionsspitze respektiere das Recht der Mitarbeiter, über die Gründung einer Interessensvertretung zu entscheiden.

Am Freitag äußerte sich die Fraktion höflich zu dem Beschluss: "Als Fraktionsführung freuen wir uns über das Engagement unserer Mitarbeiter bei der Gründung einer Interessenvertretung und werden das begleiten." Die Mitarbeiter aber trauen dem nicht. Sie fürchten, dass möglicherweise ein längerer Kampf um ihre Rechte droht. Einer sagt: "Im Zweifel vor Gericht."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5575484
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.