Süddeutsche Zeitung

AfD:AfD, die Grundsatzstreit-Partei

Lesezeit: 3 min

Von Jens Schneider, Berlin

Der kleine Showdown ist für diesen Freitag angekündigt. Im Landtag zu Magdeburg will die Fraktion der AfD in einer Sondersitzung entscheiden, ob ihr Abgeordneter Daniel Roi aus ihren Reihen ausgeschlossen wird. Der Fraktionschef André Poggenburg wirft Roi vor, fraktionsinterne Papiere weitergegeben zu haben. Die Papiere behandeln brisante Vorwürfe: Eine frühere Mitarbeiterin bezichtigte einen AfD-Abgeordneten der sexuellen Nötigung, die Staatsanwaltschaft ermittelt, der Mann bestreitet alles, die Fraktionsspitze steht hinter ihm. Roi stellte das infrage.

Als der Konflikt jetzt eskalierte, bot Frauke Petry Hilfe an. Der Bundesvorstand stehe gern mit Rat zur Seite, erklärte die Parteichefin und warnte davor, einzelne Fraktionsmitglieder auszuschließen, "weil sie unbequem sind". So was müsse "dann doch bitte schön sehr genau erörtert werden", sagte sie dem MDR. Die Adressaten verstanden die Offerte als vergiftetes Angebot: Roi ist in Sachsen-Anhalt als Kritiker des äußerst rechten Kurses von Fraktionschef Poggenburg bekannt. Der wiederum zählt zu den engen Vertrauten des AfD-Rechtsaußen und Petry-Gegners Björn Höcke aus Thüringen. Poggenburg wies das Angebot ab. Er verbitte sich "die ungeheure Unterstellung von Frau Petry, wir würden Abgeordnete ausschließen wollen, weil sie unbequem seien".

Im Grunde geht es um Macht in der Bundesspitze und die Ausrichtung der Partei

So geht es zu, wann immer in der AfD ein regionaler Zwist eskaliert oder sich Parteifreunde mit Vorwürfen überziehen, und das passiert oft. Schnell kommt dahinter die zweite Ebene zum Vorschein: der Stellungskrieg um die Macht in der Bundesspitze der AfD und die Ausrichtung der Partei - vor allem die Frage, wie weit offen nach rechts man sein will.

Da steht auf der einen Seite das "Doppel-P", so ein parteiinterner Spottname: Petry und ihr Ehemann Marcus Pretzell, AfD-Landeschef in Nordrhein-Westfalen, dort freilich mit einer wackligen Mehrheit. Die prominenten Antipoden sind Höcke und Poggenburg, der Brandenburger AfD-Chef und Bundes-Vize Alexander Gauland und Petrys Ko-Vorsitzender Jörg Meuthen. Sie vereint der Argwohn, dass Petry und Pretzell die AfD dominieren und Konkurrenten ausbooten wollen.

Die wenigen anderen überregional bekannten AfD-Politiker standen in diesem Konflikt oft abseits. Inzwischen suchen einige Mitglieder des Bundesvorstands wie die Volkswirtin Alice Weidel oder der Berliner AfD-Chef und frühere Bundeswehr-Oberst Georg Pazderski einen Weg jenseits dieser Linien.

Das zeigt sich im Streit um Sanktionen gegen Höcke nach dessen Dresdner Rede, in der er in völkischem Duktus eine 180-Grad-Wende im Umgang mit der deutschen Vergangenheit forderte. Über die Rede und die Folgen wird intern so heftig gestritten wie in keinem anderen Konflikt seit dem Bruch mit dem Parteigründer Bernd Lucke. Manche im Vorstand messen der Entscheidung auch eine ähnliche Bedeutung zu, weil sie richtungsweisend für die AfD sein könnte, so heißt es aus dem Umfeld der Spitze. Nach der Empörung über Höckes Rede wollte im Bundesvorstand zunächst eine Mehrheit dessen Ausschluss aus der Partei beantragen.

Im Vorstand hat Petry sonst oft eine Mehrheit gegen sich, diesmal nicht. Die Ökonomin Weidel, Spitzenkandidatin in Baden-Württemberg für die Bundestagswahl, beantragte den Ausschluss. Auch Pazderski wollte harte Sanktionen, wie Petry. Dagegen stellten sich wenig überraschend Höckes Verbündete Gauland, Poggenburg und Meuthen. Stundenlang wurde diskutiert, in mehreren Sitzungen, beschlossen wurde aber nur, dass es Sanktionen geben soll; eine Rüge zum Beispiel hätte auch Höckes Freund Gauland befürwortet, weil die Sache damit erledigt gewesen wäre.

Die beiden Lager sind durch wahltaktische Überlegungen motiviert. Höckes Gegner befürchten, bürgerliche Wähler rechts der Mitte zu verlieren. Sie wollen eine rechtskonservative Ausrichtung und glauben, anders als Höckes Unterstützer, nicht, dass die AfD einen wie ihn braucht, um ganz rechts außen Stimmen zu holen. Dessen Freunde halten seinen Einfluss für bedeutender, gar ein Drittel stehe hinter ihm, warnen sie. Vor allem im Osten würde die AfD nach einem Ausschluss einen Exodus besonders aktiver Mitglieder erleiden, lautet die Warnung. Höcke habe "Großartiges für die Partei geleistet", sagte Gauland unlängst auf einem Parteitag in Brandenburg und wärmte sich am Beifall. In Sachsen wies die Basis einen Antrag von Frauke Petry ab, die gern auf einem Parteitag über Höcke debattiert hätte.

Auffällig ist, dass manche entschiedene Höcke-Kritiker sich inzwischen öffentlich zurückhalten. Sie werde das Thema nicht weiter bedienen, antwortete etwa Vorstandsmitglied Alice Weidel auf eine Anfrage. Aus internen Debatten ist zu hören, dass Höcke-Kritiker schnell in den Verdacht geraten, sie wollten sich dem Druck der verhassten Medien beugen. Das kann Rückhalt in der AfD kosten.

Die Entscheidung über den Fall Höcke ist erst mal aufgeschoben. Die Parteispitze will dem Vernehmen nach zunächst mit einem Rechtsgutachten von außerhalb prüfen lassen, welche Sanktionen tatsächlich durchgesetzt werden und vor einem Parteigericht Bestand haben können. Wann und ob eine Entscheidung kommt, gilt als offen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3361336
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 03.02.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.