Süddeutsche Zeitung

Tiere:Hauptstadt im Panda-Fieber

Lesezeit: 4 Min.

Von Verena Mayer und Kai Strittmatter

Pandas haben eine eigentümliche Wirkung auf die Menschen, den meisten knipsen sie den Verstand aus. Als am 20. April 1972 das eben eingeflogene Pandaweibchen Ling-Ling und sein Gefährte Hsing-Hsing sich im National Zoo in Washington erstmals der Öffentlichkeit stellten, da stand Pat Nixon, die First Lady, in der ersten Reihe, und "kicherte die ganze Zeit", wie die New York Times auf der Titelseite vermeldete. Als sie sich schließlich wieder gefasst hatte, rang sie sich diesen Satz ab: "Alle wollen sie einfach nur knuddeln."

So fand damals ein Vierteljahrhundert Funkstille zwischen Peking und Washington ihr Ende. Mao Zedong und Richard Nixon hatten den historischen Deal zwischen ihren Ländern über ein paar Tischtennismatches eingefädelt und mit dem Pandapärchen besiegelt. Wen die Chinesen entwaffnen und an sich drücken wollen, dem schenken sie Pandas. Auch die Berliner werden das nun erfahren.

Aber was heißt schon Geschenk, Leihgabe ist in dem Fall wohl das genauere Wort. Die Pandas werden in Berlin zu Gast sein für 15 Jahre, für jedes Jahr überweist der Berliner Zoo dafür 920 000 Euro nach China. Fünf Jahre nach dem Tod des Veteranen Bao Bao, den die Chinesen einst Bundeskanzler Helmut Schmidt schenkten, wird damit in Deutschland wieder ein Panda zu Hause sein.

Das Gehege ist der Landschaft eines tibetisches Hochplateaus nachempfunden

Im Berliner Zoo ist man dementsprechend aufgeregt und arbeitet seit Monaten an einem Panda-Gehege, das der Landschaft eines tibetisches Hochplateaus nachempfunden ist. Mit einem eigenen Klettergarten und einem chinesischen Pavillon, in dem man die Tiere beobachten wird können. Pandas brauchen Rückzugsmöglichkeiten, sie sind Einzelgänger und schlafen sehr viel. Nicht so gerne paaren sie sich, weswegen die Bereiche von Mengmeng und Jiao Qing, wie die beiden Pandas heißen, durch einen sieben Meter langen "Liebestunnel" miteinander verbunden sind, wo sie den erhofften Nachwuchs zeugen sollen. Das Gehege hat man sich zehn Millionen Euro kosten lassen, es gilt als das modernste Europas. Der Berliner Zoo hat jedenfalls schon das "Panda-Fieber" ausgerufen, man hofft auf einen ähnlich großen Besucherandrang wie seinerzeit beim kleinen Eisbären Knut.

Panda-Diplomatie, das hatte schon vor Mao Tradition in dem Land - und die Panda-Diplomatie hat mit dessen Tod lange nicht aufgehört, im Gegenteil. Kaiserin Wu Zetian aus der Tang-Dynastie soll die erste gewesen sein, im Jahr 685 sandte sie dem Regenten von Japan 70 Felle und zwei Bären, die Historiker als Pandas identifiziert haben wollen. Beweise gibt es dafür allerdings keine, die hat man erst für das Jahr 1941, damals hatte China eine fast so schillernde neue Kaiserin: Soong Meiling, die Frau des nationalistischen Diktators Chiang Kai-shek, die in den USA studiert und gelebt hatte und die großes Geschick darin hatte, die Amerikaner PR-mäßig um den Finger zu wickeln. Sie schenkte dem Zoo in der Bronx ein Pandapärchen, die exotischen Tiere wurden eine Sensation und so kurz nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor zum Symbol für amerikanisch-chinesische Freundschaft.

Mit der Machtübernahme Maos 1949 war damit allerdings erst einmal Schluss. Mao schickte seine Panda-Botschafter in sozialistische Bruderstaaten. Die Sowjetunion kriegte den ihren (Ping Ping) 1957, Nordkorea den seinen (Dan Dan) acht Jahre später. Und Amerika glitt ab in giftigen Antikommunismus, dass selbst der Versuch eines Zoohändlers scheiterte, der 1958 einen Pandabären in die USA einführen wollte. "Dem Clown der Tierwelt wurde die Einreise verweigert, weil er ein Einwohner Rotchinas ist", meldete die New York Times im Mai jenes Jahres.

Britische Wissenschaftler verfassten 2013 eine Studie zur Panda-Diplomatie und identifizierten drei Phasen: Nach der Mao-Ära folgte zunächst Deng Xiaopings Reform-China, in dem der Kapitalismus plötzlich wieder in Mode kam. Aus der Zeit stammen die bis heute gültigen Verträge, die den Panda zur Leihgabe und zum Teil einer finanziellen Transaktion machen. Phase drei, heißt es in dem Bericht, habe nach dem verheerenden Erdbeben von Sichuan im Jahr 2008 eingesetzt, in dem die Pandas einen Teil ihres Lebensraumes verloren. Seither verleihe China seine Pandas zur Belohnung "an Nationen, die China mit wertvollen Ressourcen und Technologien versorgen". Kanada und Frankreich zum Beispiel hätten ihre Pandas bekommen nach der Unterzeichnung von langfristigen Verträgen über die Lieferung großer Mengen Urans nach China.

China wolle enge Beziehungen aufbauen mit Ländern, die es gerne "in seinem inneren Kreis" sähe. Mit der Übergabe der seltenen und wertvollen Tiere versuche man "Soft-Power-Einfluss" zu erlangen "durch ein global sichtbares Siegel des Gutheißens", schrieb Kathleen Buckingham, eine der Autorinnen der Studie.

Was China gibt, kann es ebenso wieder nehmen

Sonderfälle sind Taiwan und Hongkong. Hier sollten die von China entsandten Pandas unter den mit Peking eher fremdelnden Bürgern das Feuer des großchinesischen Patriotismus entzünden, was in beiden Fällen nur mäßig erfolgreich war. Auch gilt: Was China gibt, kann es ebenso wieder nehmen. Als Präsident Barack Obama 2010 den Dalai Lama traf, da erzwang Peking die Heimkehr zweier in den USA geborenen Pandababys.

Kritik gibt es auch, bei jeder Panda-Mission. Am offiziellen China, das all seine Aufmerksamkeit und Ressourcen den knuddeligen Pandas schenkt, während seine Umwelt in verheerendem Zustand und so manch andere Spezies kurz vor dem Aussterben ist. Aber auch an den neuen Gastländern, die das Spiel mitmachen und dafür viel Geld überweisen in eine undurchsichtige Bürokratie, bei der keiner weiß, ob das angeblich für Pandaschutz bestimmte Geld auch wirklich da ankommt, wo es gebraucht wird. Ein schlechtes Geschäft allerdings scheint es für die Gastzoos nicht zu sein.

Der Zoo von Edinburgh katapultierte sich 2012 mit seinen im Jahr zuvor eingetroffenen Pandas in die schwarzen Zahlen. Im Ueno-Zoo in Tokio wurde diesen Montag erst ein Pandababy geboren. Nach Berechnungen eines Ökonomen der japanischen Kansai-Universität soll das Baby - wenn es denn überlebt - so viele Touristen anziehen, dass diese am Ende umgerechnet mehr als 200 Millionen Euro in die Kassen der Stadt Tokio spülen.

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Quelle:
SZ vom 14.06.2017
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