Süddeutsche Zeitung

Schweinepest:"Es ist nicht die Frage, ob, sondern wann"

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In Polen wurde die Schweinepest nachgewiesen - nur 80 Kilometer von Brandenburg entfernt. Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband erklärt die Gefahren des Virus.

Interview von Natascha Holstein

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts verbreitet sich die Afrikanische Schweinepest von Kenia aus in Afrika, übers Meer gelangte sie 2007 dann nach Georgien und Russland. Die Europäische Union erreichte der Virus 2014. Anfang November ist er bei Wildschweinen in Polen, 80 km von der deutschen Grenze entfernt, nachgewiesen worden. Der Deutsche Jagdverband warnt nun, dass der Virus bald nach Deutschland übertreten könnte.

In China hat die Afrikanische Schweinepest bereits Folgen für die Schweinefleischproduktion, bis zu 13 Prozent des Bestandes könnten durch die Krankheit vernichtet werden, mit massiven Folgen für den Export. Von den 50 Millionen in Deutschland geschlachteten Schweinen pro Jahr wird der Großteil jedoch hier verzehrt. Torsten Reinwald (47) vom Deutschen Jagdverband erklärt im Gespräch, wo das Virus herkommt - und ob es auch für den Menschen gefährlich sein kann.

Herr Reinwald, wann kommt die Afrikanische Schweinepest nach Deutschland ?

Das steht in den Sternen. Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde, die EFSA, hat letztes Jahr in einer Prognose berechnet, dass sie 2023 Deutschland erreichen wird. Da war aber wohl noch nicht eingerechnet, dass die Afrikanische Schweinepest innerhalb Polens solche Sprünge macht. Zwischen dem Vorkommen, das wir jetzt dort haben, 80 km entfernt von der Grenze und dem letzten bekannten Vorkommen in Polen im Juli weiter östlich, liegen etwa 250 bis 300 km.

Können wir die Schweinepest noch aufhalten?

Nein, da schließe ich mich der EFSA an: Es ist nicht die Frage, ob wir es kriegen, sondern wann. Dann ist entscheidend, wie schnell wir den Seuchenherd isolieren. Es steht und fällt alles mit der Früherkennung.

Was macht genauere Prognosen so schwer?

Es ist der Faktor Mensch, der die Verbreitung so unberechenbar macht. Beim Wildschwein wissen wir durch Daten von der EFSA, dass die natürliche Ausbreitung sehr langsam ist, die liegt bei höchsten 25 km pro Jahr. Der Mensch verbreitet das Virus hingegen mit 100 km pro Stunde auf der Autobahn, wenn es irgendwo im Radkasten im Schlamm hängt oder an den Gummistiefeln. Oder wenn es sich noch in der Rohwurst versteckt, in der Salami und im Schinken, vom Schwein, das noch schnell geschlachtet wurde, bevor man es nicht mehr verwenden kann.

Ist es gefährlich, so eine infizierte Salami zu essen?

Nein, für den Menschen besteht keinerlei Gefahr. Das Virus ist ausschließlich für Haus- und Wildschweine ansteckend und gefährlich. Alle anderen Lebewesen verdauen und zersetzen es.

Für Schweine endet es jedoch tödlich. Wie wird das Virus übertragen?

Über Körperflüssigkeiten. In der Massentierhaltung geht es dementsprechend sehr schnell. Aber auch bei Wildschweinen verbreitet es sich rasant, die leben ja im Familienverband. Das heißt wenn ein Familienmitglied das Virus hat, dann dauert das nicht lange, bis die ganze Rotte erkrankt. Die ersten toten Schweine sind schon nach 48 Stunden zu verzeichnen, innerhalb einer Woche sind dann etwa 98 Prozent des Bestandes tot.

Warum wurde die Schweinepest noch nicht ausgerottet?

In Deutschland haben wir den großen Vorteil, dass jedes Schwein, das gehalten wird, auch registriert sein muss. Das ist beispielsweise in Polen nicht so. Deshalb ist es für die polnischen Behörden sehr schwer, einen Seuchenherd einzugrenzen. Tschechien hat es beispielhaft vorgemacht: enorm wichtig ist die Früherkennung des Virus. Wenn es irgendwo auftritt, muss das Gebiet sofort isoliert werden. In Belgien ist das Virus jetzt seit über einem Jahr unterwegs, da sind schon über 800 infizierte Wildschweine nachgewiesen worden. Zudem weiß keiner, wie das Virus dorthin gekommen ist. Bisher gab es das Virus eigentlich nur in Osteuropa: Ukraine, Slowakei, Polen. Das ist ein weiterer eindeutiger Hinweis darauf, dass der Mensch der Hauptverbreiter ist. Ich bin mir ganz sicher, dass kein Wildschwein durch Deutschland nach Belgien gelaufen und dann dort umgekippt ist.

Wie kam sie überhaupt nach Europa?

Ursprünglich kam das Virus mit Futtermitteln von Afrika nach Russland. Dadurch wurde es in die Hausschweinbestände eingeschleppt und durch den Menschen weiterverbreitet.

Mögliche Infizierungen müssen der Veterinärbehörde gemeldet werden. Was passiert mit den infizierten Schweinen?

Es gibt nicht die eine Patentlösung. Der Veterinärmediziner muss schauen, welche Maßnahme für seinen Bereich die Lösung ist. Wenn das Virus zum Beispiel morgen hier eintreffen würde, dann könnte die Behörde ein Ernteverbot für ein Maisfeld verhängen. Dieses Gebiet würde dann isoliert, damit sich die Wildschweine dort sammeln und die würden dann mit allen erdenklichen Mitteln getötet. Da geht es dann nicht mehr um Jagd, sondern um Tierseuchenbekämpfung. Dann ist es auch möglich, die Tiere zu vergiften. Es kann aber sein, dass es besser ist, sie aktiv zu füttern, um die Tiere an einen Ort zu binden, damit sie dort auch sterben. In jedem Fall ist es wichtig, das Gebiet zu isolieren, das heißt: Zaun drum machen.

Es gilt also in jedem Fall, das Virus schnellstmöglich auf ein Gebiet zu beschränken. Aber was, wenn das Virus doch einen Bauernhof erreicht?

Es gibt da eine Unterteilung in Kerngebiet, Gefährdungsbezirk und Pufferzone. Je nachdem, wo sich der Betrieb befindet, werden dann auch vorsorglich Hausschweine getötet. Im Moment ist es so, dass letztendlich ein Exportverbot außerhalb der EU für das Land, indem die Afrikanische Schweinepest auftritt, verhängt wird. In Deutschland wird ein Großteil des Fleisches aber im Land selbst verzehrt, was ja kein Problem darstellt. Für die Bauern wäre eine Tötung ihrer gesamten Schweinepopulation natürlich dennoch fatal.

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Quelle:
SZ vom 22.11.2019
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