Süddeutsche Zeitung

Tierwohl:Ein Elefant fliegt in die Freiheit

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Kaavan wurde bekannt als "einsamster Elefant der Welt". Die Sängerin Cher und diverse Tierschutzorganisationen setzten sich für ihn ein. Nun wurde er in einer spektakulären Aktion von Pakistan nach Kambodscha geflogen.

Von David Pfeifer

Cher war tatsächlich da, sie besuchte am vergangenen Freitag den Marghazar-Zoo in Islamabad und auch den pakistanischen Premierminister Imran Khan, eine Celebrity eigener Ordnung. Die Popsängerin und der ehemalige Kricket-Weltklassespieler produzierten routiniert Bilder eines entspannten Gesprächs im Garten von Khans Amtssitz. Doch der Star des vergangenen Wochenendes war Kaavan, ein 36 Jahre alter Elefant, der in den vergangenen Jahren im Zoo von Islamabad vor sich hin vegetiert hatte.

Am Ende wollten sich viele noch verabschieden, so zum Beispiel der pakistanische Präsident Arif Alvi, immerhin war Kaavan mal eine Art diplomatisches Geschenk gewesen. Cher sang dem Tier etwas vor, einige Besucher kannten Kaavan noch als sehr kleinen Elefanten. Am Sonntag schließlich wurde Kaavan von Dr. Frank Göritz sediert. Göritz ist Leitender Tierarzt des Berliner "Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung" und ein Spezialist darin, große Tiere zu betäuben, ohne sie vollständig lahmzulegen. Kaavan wurde anschließend in eine eigens konstruierte Transportbox geführt, ein Vorgang, der Wochen vorher trainiert worden war.

Mitsamt der Box wurde Kaavan auf einen Lkw verladen. Um kurz nach 21 Uhr setzte sich ein kleiner Treck, eskortiert vom Militär, in Bewegung in Richtung Flughafen.

Marion Lombard, Projektmanagerin bei der Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" und eine der Betreuerinnen des Elefanten, berichtete vom Weg zum Flughafen, dass es dem Tier gutgehe, dass er wieder wach sei, "aber mit einem Tranquilizer beruhigt". Um Mitternacht wurde die Transportbox in den Bauch einer Iljuschin Il-76 verladen, ein russisches Transportflugzeug, das günstiger war als die Antonow An-124, die ursprünglich vorgesehen war.

Um vier Uhr morgens hob die Maschine ab, um Kaavan für seine letzten Lebensjahre nach Kambodscha zu fliegen. Mit an Bord gingen neben Marion Lombard auch Frank Göritz und der Veterinär Amir Khalil, der Kaavan in den vergangenen Wochen betreut und ihm immer wieder Lieder von Frank Sinatra vorgesungen hatte. Damit sich das Tier an ihn gewöhnen konnte.

Vorangegangen war eine jahrelange Rettungsmission vieler Menschen, von pakistanischen Tierschützern, von der internationalen Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" mit Sitz in Wien und eben auch von Cher. 1985 als Geschenk unter Autokraten von Sri Lanka nach Pakistan verschickt, wurde Kaavan eine Attraktion des Zoos von Islamabad. Er bekam sogar eine Lebensgefährtin zur Seite gestellt, die allerdings 2012 starb.

Doch schon vorher war Kaavan nicht mehr gut versorgt worden: Seine Wärter klauten ihm Futter, er wurde nicht ordentlich gepflegt und stand meist angekettet in seiner Lehmhütte, drückte seinen Kopf an die Wand oder "webte", wie Veterinäre das gleichmäßige Hin- und Herbewegen des Kopfes nennen. Elefanten tun das, um Endorphine zu produzieren, wenn ihnen schrecklich langweilig ist. Die mächtigen Tiere können sich totstehen. Wenn ihre Nägel zu lange werden und einreißen, dann dringen Bakterien ein, und sie verenden elendig.

Schließlich rief das Islamabad Wildlife Management Board (IWMB) "Vier Pfoten" zu Hilfe. Die engagierte Tierschützerin Cher wurde auf die Geschichte aufmerksam, und der "einsamste Elefant der Welt" plötzlich sehr publik. Nun gibt es leider überall auf der Welt Tiere, denen es in Zoos oder in Privathaltung nicht gutgeht, und neben Kaavan wurden im Marghazar-Zoo noch andere Tiere schlecht behandelt. Aber die Mitarbeiter von "Vier Pfoten" konzentrieren sich auf die Machbarkeit von Hilfsaktionen, so ein prominenter Fall wie Kaavan hilft im besten Fall der gesamten Organisation und somit auch anderen Tieren.

Amir Khalil, der für "Vier Pfoten" schon Tiere aus allen möglichen Notsituationen befreit hat, aus dem Gazastreifen genauso wie aus Saddam Husseins Privatzoo, kennt die Kritik daran, dass man sich derartig intensiv für ein Tier engagiert, wenn es sonst so viel Elend auf der Welt gibt. Er erklärte der SZ vor einigen Wochen: "Menschlichkeit zeigt sich nicht nur daran, wie ich mit anderen Menschen umgehe."

So eine Rettung kann zwischen 300 000 und 500 000 Euro verschlingen. Die Kosten für Kaavans Übersiedlung teilt sich "Vier Pfoten" mit der Organisation Free The Wild, auch der US-Geschäftsmann und Philanthrop Eric Margolis, jahrelang Korrespondent in Südostasien, beteiligte sich an den Flugkosten und an der Logistik für die Umsiedlung anderer Tiere aus dem Marghazar-Zoo in andere Regionen. Solche Rettungsaktionen hängen stark am Improvisations- und Organisationsvermögen einzelner Beteiligter. Kurz vor Kaavans Abreise intervenierten die pakistanischen Behörden noch, weil man den prominenten Elefanten nicht so einfach ziehen lassen wollte. Amir Khalil und Marion Lombard saßen im November also viel auf Ämtern in Islamabad.

Um drei Uhr am Nachmittag, neun Uhr morgens in Deutschland, setzte die Iljuschin schließlich in Siem Reap auf, dem zweitgrößten Flughafen Kambodschas, in der Nähe der Tempelanlage Angkor Wat.

Ein etwas wackeliger Kaavan wurde in seiner Box aus der Maschine gezogen, die etwas übernächtigten Begleiter Lombard, Göritz und Khalil machten sich mit ihm auf den Weg in das Wildreservat, in dem der Elefant hoffentlich noch ein paar friedliche Jahre erleben kann. In freier Wildbahn können Asiatische Elefanten 50 werden, für ein Tier in Gefangenschaft ist Kaavan mit seinen 36 Jahren schon recht alt. Aber es geht seinen Betreuern nicht darum, wie viele gute Jahre er noch haben wird. Sondern dass er überhaupt noch welche bekommt.

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