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Pilotprojekt in Großbritannien:"Das ist es wert"

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Nein, es ist kein Witz: Am Wochenende tanzten Tausende in Liverpool zu Rave-Beats, dicht an dicht, ohne Masken. Die Partys sind Teil eines Pilotprojektes, dessen Höhepunkt ein Fußballspiel vor 21 000 Zuschauern sein soll.

Von Michael Neudecker

Die Videos, die am Wochenende von Smartphones aus Liverpool verschickt wurden, wirken unglaubwürdig, aber es ist tatsächlich passiert. Augenzeugen berichteten von Tränen der Freude, auf den Videos war zu sehen, was nach mehr als einem Pandemie-Jahr eher Befremden auslöst: tanzende Menschen, dicht an dicht, ohne Masken, eine Menge, die sich von Beats aus Boxen herumwerfen lässt, in der Luft fliegt Konfetti.

"We are back", das ist ein Satz, der bei diesen Videos oft dazugeschrieben wird: Wir sind zurück.

Großbritannien war mal ein Land, in dem das Coronavirus wütete wie nahezu nirgends sonst auf dem Globus, aber mittlerweile blickt man vor allem aus der EU neidisch über den Kanal. Mehr als 50 Prozent der Bevölkerung sind bereits ein Mal geimpft, mehr als 21 Prozent sogar schon zwei Mal. Und vor ein paar Wochen, nach Monaten des harten Lockdowns, verkündete die Regierung ein Pilotprojekt: Mehrere Events sollten im April und Mai mit Besuchern stattfinden, ohne Abstand und Masken, fast so wie früher.

Vorher und nachher werden die Besucher getestet, zudem werden die Veranstaltungen beobachtet, Daten werden gesammelt, das Verhalten der Besucher wird untersucht, Schlüsse sollen gezogen werden. Alles, um voranzukommen auf dem Weg, den Premierminister Boris Johnson "Einbahnstraße in die Freiheit" nennt.

Am Wochenende nun wurden in Liverpool am Bramley Moore Dock, in einem industrieschicken Backsteingebäude am Fluss Mersey, zwei Rave-Partys abgehalten: eine am Freitag, eine am Samstag, insgesamt 6000 Besucher. Als DJs legten unter anderen Fatboy Slim und Sven Väth auf. Wie das so ist, nach mehr als einem Jahr wieder in der Masse zu hüpfen, als habe es Corona nie gegeben?

Das örtliche Blatt Liverpool Echo zitierte dazu eine 22-jährige Studentin namens Becca Gray, sie sagte: Sie sei schon etwas nervös gewesen, hierher zu kommen, und sie wäre auch nicht überrascht, wenn sie sich mit dem Coronavirus infizieren würde - "aber das ist es wert". In zwei Wochen folgt ein Open-Air-Kino mit 1000 Besuchern, ebenfalls in Liverpool, und schließlich der Höhepunkt der Pilotreihe: das Fußball-Finale des FA Cups im Londoner Wembley-Stadion vor 21 000 Zuschauern.

Der Blick auf die Corona-Zahlen in Großbritannien dürfte in den kommenden Wochen noch interessanter sein als ohnehin. Am Sonntag lag die landesweite Sieben-Tages-Inzidenz bei 23.

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