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Bomben in New York und New Jersey:Staatsanwalt erhebt Anklage gegen Terror-Verdächtigen Rahami

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Dem gebürtigen Afghanen wird unter anderem der Einsatz von Massenvernichtungswaffen vorgeworfen. Für Aufsehen sorgt, dass das FBI den Mann 2014 überprüft hatte und damals für "sauber" erklärte.

Von Matthias Kolb, Washington

Nach der Verhaftung des Terror-Verdächtigen Ahmad Khan Rahami sind viele neue Details über den in Afghanistan geborenen Mann bekannt geworden, der mehrere Bomben in New York und New Jersey gelegt haben soll. In der Nacht auf Mittwoch wurde der 28-Jährige unter anderem wegen des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen und einem Anschlag auf öffentliche Orte angeklagt.

Die Explosion eines Sprengsatzes im New Yorker Stadtteil Chelsea mit etwa 31 Verletzten habe "bedeutende Verletzungen und Sachschäden in Höhe mehrerer Millionen Dollar" angerichtet, heißt es im Schreiben der Staatsanwaltschaft. Sie wirft Rahami zudem vor, auch die weiteren Sprengsätze in Manhattan sowie im Nachbarstaat New Jersey deponiert und bei seiner Festnahme auf Polizisten geschossen zu haben. Er befindet sich seither verletzt in einem Krankenhaus.

Allein der 50 Kilogramm schwere Müllcontainer, in dem Rahami einen Sprengsatz versteckt haben soll, sei durch die Wucht der Explosion mehr als 35 Meter weit geflogen. Fenster seien in bis zu drei Stockwerke Höhe geborsten. Der wohl aus einem Schnellkochtopf gebaute Sprengsatz sei mit Stahlmuttern gefüllt gewesen. Das benötigte Material habe er seit Mitte Juni im Internet gekauft und sich nach New Jersey liefern lassen. Bisher gebe es keine Hinweise, dass er Teil einer größeren Gruppe sei.

Rahami trug persönliche Notizen bei sich

In einem Heft, das Rahami bei der Festnahme bei sich trug und mit Blut befleckt ist, entdeckten Ermittler gegen die US-Regierung gerichtete Notizen. Die USA "schlachteten" Dschihadisten im Irak sowie in Afghanistan, Syrien und Palästinensergebieten ab, heißt es darin. Der islamistische Extremist Anwar al-Awlaki, der Armeepsychologe Nidal Malik Hasan, der in der Militärbasis Fort Hood in Texas 13 Menschen getötet und 42 verletzt hatte sowie der getötete Al-Qaida-Anführer Osama bin Laden werden gelobt.

"So Gott will, wird das Geräusch der Bomben auf den Straßen gehört werden", heißt es demnach am Ende des handschriftlichen Dokuments. Auch die Suche des FBI und die Angst, gefasst zu werden, werden den Ermittlern zufolge darin erwähnt.

Obwohl al-Awlaki bereits 2011 durch eine US-Drohne getötet wurde, ist der in den USA aufgewachsene Jemenit weiter gerade unter englischsprachigen Dschihadisten sehr einflussreich. Sowohl Omar Mateen, der in Orlando Dutzende Menschen im Gay-Nachtclub umbrachte als auch der Attentäter von San Bernardino hörten seine Predigten; gleiches gilt für die Zarnajew-Brüder, die 2013 einen tödlichen Anschlag auf den Bostoner Marathon verübten. Rukmini Callimachi, die Terror-Expertin der New York Times, nennt die online kuriserenden Reden des Propagandisten al-Awlakis eine "Einstiegsdroge".

FBI stellte Recherchen zu Rahami im August 2014 an

Am Dienstagmorgen hatte der Vater des mutmaßlichen Täters, Mohammad Rahami, zu Journalisten gesagt, dass er die US-Bundespolizei FBI im Sommer 2014 auf seinen Sohn aufmerksam gemacht habe. Weil Ahmad zu viel Zeit mit "schlechten Leuten" verbringe, habe er damals vermutet, dass Ahmad "etwas mit Terrorismus" zu tun haben könnte; zudem klagte der Vater darüber, dass Ahmad einem seiner Brüder ins Bein gestochen habe. "Nach zwei Monaten kamen die vom FBI wieder und sagten: 'Er ist okay, er ist sauber, er ist kein Terrorist", sagte der Vater.

Das FBI bestätigte, dass Mitarbeiter im August 2014 Interviews führten (unter anderem mit Mohammad Rahami) sowie diverse Datenbanken durchforsteten und andere Geheimdienste zu Ahmad befragt hätten. Man habe keine Hinweise gefunden und die Ermittlungen (sie waren auf der niedrigsten Stufe) eingestellt - auch weil der Vater seinen Hinweis zurückgezogen habe, meldet die New York Times.

Der Vorfall offenbart die Herausforderungen für die Bundespolizei: Ihre Agenten müssen Tausenden Hinweisen nachgehen, die oft aus dem familiären oder persönlichen Bereich kommen. Zugleich ist dies der vierte Anschlag seit 2013, der von einem Täter durchgeführt wurde, der zuvor vom FBI überprüft worden war: Neben Dschochar Zarnajew in Boston waren dies Omar Mateen, der Massenmörder von Orlando, und Elton Simpson, der 2015 in Texas die Besucher eines "Mohammed-Zeichenwettbewerbs" attackiert hatte.

Diese Meldungen dürften bald in der politischen Debatte auftauchen. Donald Trump, der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, wirft der Obama-Regierung vor, die Terror-Gefahr nicht ernst genug zu nehmen und die Behörden bei ihrer Arbeit zu behindern. Er kann sich racial profiling vorstellen und möchte ein temporäres Einreiseverbot für Menschen aus Staaten, in denen Terror herrscht (die genaue Definition ist unklar). Die Demokratin Hillary Clinton wirft Trump hingegen vor, mit seiner Rhetorik den Nährboden für Terrorismus zu schaffen.

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