Süddeutsche Zeitung

"Speed-Debating":Flirten mit der Politik

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Knapp 50 Jugendliche aus dem Landkreis trafen am Freitagabend auf neun Landtagskandidaten aus dem Stimmkreis. Sie diskutierten, kritisierten und fragten neugierig nach. Eine rundum gelungene Veranstaltung, waren sich Jugendliche, Politiker und Organisatoren einig.

Von Katharina Schmid, Bad Tölz-Wolfratshausen

Junge Leute an einem Freitagabend zur Diskussion mit Politikern bewegen? Kein einfaches Unterfangen, das sich acht Jugendorganisationen aus dem Landkreis für vergangenen Freitag gesetzt hatten. Doch ihr Ansinnen ging auf. Angelehnt an ein Speed-Dating verwandelte sich der Pistolero-Club im Tölzer Moraltpark beim "Speed-Debating mit den Politikern" in eine Diskussionsarena. Knapp 50 Jugendliche aus dem Landkreis trafen auf neun der 13 Spitzenkandidaten für die Landtagswahl. Khando Ronge (Mut-Partei) und Christian Lutz (Die Partei) hatten vorab abgesagt. Roland Mittelmaier (V³-Partei) konnte krankheitsbedingt nicht kommen, und bei AfD-Kandidatin Anne Cyron zeichnete sich im Laufe des Abends ab, dass sie der Diskussion entgegen ihrer Zusage fern bleiben würde.

Jugendliche wie der 17-jährige Patrick Simon aus Wolfratshausen waren darüber besonders enttäuscht. Er war auch deshalb gekommen, um zu sehen, "ob Parteien wie AfD und CSU Kritik einstecken können", beispielsweise hinsichtlich ihrer Flüchtlingspolitik. Aufgeteilt in neun Kleingruppen zogen die Jugendlichen zwei Stunden lang von Tisch zu Tisch. Bei jedem der Kandidaten hatten sie sechs Minuten Zeit für Fragen, Austausch und Diskussion zu Themen, die ihnen am Herzen lagen. Das waren viele, vor allem migrations- und umweltpolitische Streitpunkte kamen an fast allen Tischen zur Sprache.

Die Erwartungen der Jugendlichen an den Abend? Aus dem Kreis der evangelischen Jugend Bad Tölz hieß es, viele die gerade ins Wahlalter gekommen seien, wollten einen "ersten Überblick erlangen" und "die Leute hinter den Wahlplakaten kennenlernen". Nach einem Informationsfilm zur Wahl und einer Vorstellungsrunde der Kandidaten hatten sie dazu direkt Gelegenheit. Kamen die Fragen anfangs noch zögerlich, wurde der Austausch nach und nach intensiver. Am Tisch des FDP-Kandidaten Fritz Haugg wurde die grundsätzliche Frage geklärt, wofür er mit seiner Politik stehe. Dafür, dass jeder die Chance haben solle, sich zu verwirklichen, dass Bildungserfolg nicht vom Erfolg der Eltern abhängen dürfe, lautete die Antwort. Zufrieden gaben sich seine Gesprächspartner damit nicht; es wurde nachgehakt, wie diese Ziele denn verwirklicht werden sollten.

Am Nachbartisch bei CSU-Kandidat Martin Bachhuber waren der Länderfinanzausgleich und die Flüchtlingspolitik Thema einer Gesprächsrunde. Auch "warum der Klimawandel kein ernsthaftes Thema für die CSU" sei, wollten die jungen Leute von Bachhuber wissen. Josef Lausch (Bayernpartei) erklärte einer Gruppe Jugendlicher, wofür seine Partei unter anderem stehe. Die Abspaltung Bayerns vom Bund sei "das Fernziel", mittelfristig wolle seine Partei mehr Föderalismus, so Lausch, der sich am Ende des Abends dafür bedankte, dass die jungen Leute "so vorurteilsfrei auf mich zugegangen sind".

SPD-Mann Robert Kühn hatte sich bereits eingangs ("Ich führe mit meinem Mann zusammen ein Schuhgeschäft.") die Sympathien der Jugendlichen gesichert. Über kostenlose Bildung für alle und den Verkehr der Zukunft wurde an seinem Tisch gesprochen. Bei Hans Urban (Grüne) ging es um Umwelt, Flächenfraß und Wohnungsbau. Florian Streibl von den Freien Wählern musste zu ganz konkreten Fragen Stellung beziehen - etwa, warum es "in Tölz so wenig Orte für Jugendliche gibt, wo man sich nachmittags treffen kann", und wie er das verbessern wolle. Die Antwort blieb vage, die Jugend müsse grundsätzlich mehr am demokratischen Prozess beteiligt werden, sagte Streibl. Von Myriam Kalipke (Piratenpartei) wollten die jungen Leute wissen, welche Themen ihre Partei neben der Digitalisierung vorantreiben wolle, bei ÖDP-Kandidat Markus Gampl wurden neben Naturschutzfragen auch die Waffenexporte Deutschlands und die Abgrenzung seiner Partei von den Grünen thematisiert. Am Tisch von Elmar Gehnen (Die Linke) ging es unter anderem um den Netzausbau und die EU-Handelspolitik.

Das Fazit der Beteiligten fiel am Ende des Abends positiv aus. Es sei "cool", dass es dieses Konzept gebe, befand der 25-jährige Tobias Faller aus Bad Tölz. Er kritisierte allerdings, dass manche Politiker Fragen "einfach mit einer großen Zahl erschlagen" würden. Mit solchen Zahlen könne man zwar "Menschen Angst machen", ihm fehle aber oftmals der wissenschaftliche Ansatz. Die 18-jährige Lisa Muchow, Erstwählerin, resümierte: "Ich weiß jetzt zumindest, wer es nicht wird." Wen sie wähle, das müsse sie erst noch herausfinden. Zufriedene Gesichter auch bei den Organisatoren: "Es war eine tolle Atmosphäre, die Anzahl der Jugendlichen war ideal, es gab gute Gespräche und wir haben unser Ziel erreicht, dass die Jugendlichen die Kandidaten kennenlernen", sagte Kerstin Barth, Geschäftsführerin des Kreisjugendrings.

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Quelle:
SZ vom 24.09.2018
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