Süddeutsche Zeitung

Naturschutz:Der Nerfling kommt zurück

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Gemeinsam mit dem Fischereiverband Oberbayern macht der Fischereiverein Penzberg die bedrohte Weißfischart an den Osterseen wieder heimisch. Das Projekt soll die Biodiversität stärken.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Er hat viele Gräten und schmeckt vermutlich nicht sonderlich gut. Für Fischer ist er jedenfalls kein guter Fang. Der Nerfling ist daher in bayerischen Gewässern fast ausgestorben. In den Osterseen zwischen Iffeldorf und Seeshaupt, Landkreis Weilheim-Schongau, konnte er zumindest über viele Jahrzehnte hinweg nicht mehr nachgewiesen werden. Das soll sich ändern. Etwa 4200 Jungfische hat der Fischereiverein Penzberg in Kooperation mit dem Fischereiverband Oberbayern in der Ostersee-Ach vor Kurzem in die Freiheit entlassen. Sie sollen sich in diesem Gewässerbereich wieder ansiedeln. Und vielleicht erreicht das ein oder andere Exemplar sogar den Großen Ostersee. Möglich gemacht hat diese Aktion das Artenhilfsprogramm des Fischereiverbands Oberbayern und das ehrenamtliche Engagement der Penzberger Fischer.

Der Nerfling, auch Aland oder Orfe genannt, gehört zur Familie der Karpfenfische und ist in Flüssen und Seen heimisch. Zur Laichzeit benötigt er strömende, kiesig-sandige Abschnitte in Fließgewässern. Durch Staustufen und befestigte Flussufer sind diese Lebensräume rar geworden. In den nördlichen Osterseen, die allesamt miteinander verbunden sind und sich durch Grundwasser speisen, hat das sogenannte Lido-Wehr dem Nerfling den Garaus gemacht. Die Ach mündet aus dem Ursee kommend östlich von Seeshaupt in den Starnberger See. Doch wegen der Wehranlage ist es der Weißfischart nicht mehr möglich, aus dem Starnberger See zum Laichen in die Osterseen aufzusteigen. Seit Jahren wartet der Penzberger Fischereiverein darauf, dass das Lido-Wehr umgebaut und durch Renaturierungsmaßnahmen wie eine Fischtreppe wieder die Gewässerdurchgängigkeit hergestellt wird, sagt Stefan Kirner, Vorsitzender des Penzberger Fischereivereins, beim Ortstermin. Doch bis dahin werden noch etliche Jahre ins Land ziehen. Immerhin habe das zuständige Wasserwirtschaftsamt Weilheim zugesagt, endlich tätig zu werden - nicht zuletzt wegen des Insistierens der Penzberger Fischer. Hartnäckigkeit zahlt sich aus.

Das Programm läuft über fünf Jahre

Als eine Art "Notlösung" beschloss der Verein im Dezember vergangenen Jahres, am Artenhilfsprogramm des Landesverbandes zu partizipieren. An dem Programm beteiligen sich mehr als 55 Vereine. Etwa 350 000 Fische bedrohter Arten wurden im ersten Jahr nachgezüchtet und in neue Lebensräume entlassen. Ziel ist die Wiederansiedlung von ökologisch bedeutenden Fischarten in Oberbayern - mit besonderem Augenmerk auf eben jene, die wirtschaftlich keine Bedeutung haben wie der Nerfling. Auch wenn er kein klassischer Speisefisch ist, ist der Nerfling dennoch für das ökologische Gleichgewicht bedeutend. Mag er dem Menschen nicht munden, Gänsesäger und Fischotter verschmähen den Nerfling nicht.

Die Wiederansiedlung erfolgt über einen Zeitraum von fünf Jahren. Stefan Kirner und Maximilian Voit, Präsident des Fischereiverbands Oberbayern, hoffen, dass sich dann der Bestand erholt hat und sich die Tiere ohne menschliches Zutun fortpflanzen. Etwa 3000 Euro kostet die Aktion jährlich. Der Penzberger Verein trägt 30 Prozent der Kosten.

Kalt ist das Wasser der Ostersee-Ach. Etwa sechs Grad hat es. Deshalb müssen die kleinen Fische, die fast genau ein Jahr alt sind, zuerst "runtergekühlt" werden. Denn das Wasser im Transporttank ist mit elf Grad deutlich wärmer. In Eimern tragen Kirner, Voit und weitere Helfer die Nerflinge zu dem Flüsschen. Von einer Brücke aus reichen Kirner und Voit das Behältnis an Gewässerwart Andreas Erdinger weiter, der in der Ach steht und die Fischchen behutsam in die Freiheit entlässt. Oder besser gesagt: Schwupps und weg sind sie.

Gezüchtet wurden die Nerflinge von Udo Steinhörster im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Die Elterntiere hatte der Pupplinger Fischmeister aus der Ach unterhalb des Lido-Wehrs entnommen. "Acht bis zehn Weiberl reichen", erzählt er. Denn die Fischdamen produzieren mehrere Hunderttausend kleine Eier. Am 27. März vergangenen Jahres habe er sie gefangen. Die "Weiberl" erkenne man leicht am dicken Bauch. Die "Manderl" hätten indes eine raue Haut - "wie Schmirgelpapier". 4200 Nerflinge seien im Tank, meint Steinhörster. Das könne er mit Gewissheit sagen: "Man zählt 500 Tiere ab und wiegt sie. Aus diesem Gewicht kann man dann ableiten, wie viele im Tank sind." Der Wassertank wiegt mehr als fünf Kilo.

28 Mitglieder zählt der Penzberger Fischereiverein, der die nördlichen Osterseen und einen Teilbereich der Loisach (Heilbrunner Schleife) betreut. Auch dort wurde der Nerfling wieder eingebracht. Schließlich warte man fast täglich auf den Fischotter, der an anderer Stelle in der Loisach schon nachgewiesen werden konnte. "Der freut sich über so einen Nerfling", sagt Kirner. Denn Fischern gehe es nicht allein um ihren Fang, vielmehr engagierten sie sich für Umwelt- und Naturschutz. "Damit wir weiter an diesem traumhaft schönem Wasser fischen dürfen", so Kirner.

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