Süddeutsche Zeitung

In Bad Tölz:Hitzige Debatte über Klimapolitik

Lesezeit: 2 min

Junge Aktivisten streiten mit Politikern im Tölzer Jugendcafé.

Von Claudia Koestler, Bad Tölz

Lange sah es so aus, als würde der Abend einen weiteren Keil zwischen Klimaschutzaktivisten und Entscheidungsträgern treiben, als Jugendliche von "Fridays for Future" am Donnerstag im Tölzer Jugendcafé mit hochrangigen Politikern diskutierten. Am Ende der mehr als zweistündigen Debatte schälte sich jedoch zumindest ein konkretes Ergebnis heraus: Die Stadt Tölz wird prüfen, ob der Stadtbus künftig kostenlos angeboten werden kann, nach Wolfratshauser Vorbild. Und: Weitere Ideen von Klimaaktivisten und Bürgern zur Verbesserung der lokalen CO₂-Bilanz sollen über Bürgerinformationsabende und Anträge auf politische Umsetzbarkeit hin geprüft werden.

Vorausgegangen war diesen Ergebnissen allerdings eine hitzige und teils explosive Diskussion, was nicht alleine dem heißesten Tag des Jahres geschuldet war. Denn es prallten Welten aufeinander, was Ansichten, Denk- und Herangehensweisen betraf, und das wiederum brachte ordentlich Reibungshitze mit sich. "Ist die Welt noch zu retten?" - unter diese Frage hatten die Veranstalter den Abend gestellt, bei dem die "Fridays for Future"-Aktivisten Nick Altenburger und Katharina Brandhofer mit dem Tölzer Bürgermeister Josef Janker (CSU) sowie den Landtagsabgeordneten Martin Bachhuber (CSU), Nikolaus Kraus (Freie Wähler), Hans Urban (Grüne) und Anne Cyron (AfD) diskutierten.

Sieben konkrete Forderungen stellten die jungen Klimaschützer dabei an die Politiker: Fossile Energieträger sollten ab kommendem Jahr nicht länger subventioniert werden. Ein Viertel der Kohlekraftwerke solle bis Ende dieses Jahres vom Netz genommen werden. Zudem forderten sie die Einführung einer Treibhausgassteuer von 180 Euro pro Tonne CO₂. Bis 2030 solle der Kohleausstieg vollzogen sein, bis 2035 die Treibhausgas-Netto-Null erreicht werden und zu 100 Prozent auf regenerative Energien umgestellt sein. Darüber hinaus müsse das Pariser Klimaabkommen eingehalten und die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden. Forderungen mithin, die nicht bei allen Politikern auf ein klares "Ja, machen wir" stießen.

Dass einige stattdessen auf Einordnungsversuche, auf Hinweise zur Komplexität oder auch auf Gegenargumente und ja, manchmal auch auf Schuldzuweisungen setzten, kam jedoch gar nicht gut an. Ein stetig wütender werdendes Publikum etwa buhte lautstark, als Kraus fragte: "Wie lange wollen sie noch streiken?" Und es widersprach per Zwischenrufen etwa Bachhubers Hinweisen, dass 98 Prozent des weltweiten CO₂-Ausstoßes nicht in Deutschland stattfänden. "Uns brennt der Arsch, merken Sie das nicht?", schrie etwa eine aufgebrachte Zuhörerin durchs Auditorium.

Er könne zwar die Forderungen nachvollziehen, sagte Bachhuber. Trotz allem Gegenwind betonte er aber die "Gesamtverantwortung in der Politik", nämlich, dass jede Entscheidung beispielsweise auch im Hinblick auf Arbeitsplätze getroffen werden müsse. Ihm werde generell in der gesamten Debatte zum Klimaschutz zu wenig über die Wirtschaft gesprochen. Doch eine reine "Anpassungsstrategie bringt uns nicht weiter", sagte Urban, der vor allem eine Mobilitätswende forderte. Altenburger und Brandhofer indes verwiesen auf das "Megapotenzial" an Arbeitsplätzen, das ein Umbau hin zu einer ökologischen und CO₂-neutralen Gesellschaft mit sich bringen könnte. Ob das so sei, da fühlte sich Bachhuber "überfragt".

Altenburger monierte schließlich, dass die anwesenden Politiker zu wenig bis gar nicht auf die anfangs genannten Forderungen von "Fridays for Future" eingegangen wären, und er nicht wisse, ob man in Sachen Klimaschutz irgendwie weiter gekommen sei. Für Bachhuber aber habe die Jugendbewegung insgesamt "viel in den Köpfen der Gesellschaft bewegt", und er war sich sicher, "dass es im Landtag, Bundestag und in ganz Europa aufschlagen wird".

Bevor Janker den Anwesenden noch die Mahnung mitgab, "nicht nur fordern, auch selber leben", formulierte Altenburger drei weitere Bitten an die Anwesenden: "Sorgen Sie für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft, für lokales Recycling und machen Sie Hersteller verantwortlich dafür, dass ihre Produkte recyclingfähig sind". Aus dem Publikum wiederum kam eine weitere konkrete Bitte: die nach einem kostenlosen Stadtbus. Zunächst stieß das nicht auf Begeisterung bei Janker: "Was soll das bringen?", fragte er - außer, dass es der Stadt etwa 700 000 Euro im Jahr kosten würde. Doch nachdem immer mehr Stimmen im Publikum laut wurden, lenkte Janker zumindest soweit ein, diese Möglichkeiten nun zu eruieren: "Man kann es ja mal probieren."

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Quelle:
SZ vom 27.07.2019
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