Süddeutsche Zeitung

Transparenz:Wie viel Geld verdient ein Bundestagsabgeordneter?

Lesezeit: 6 min

Zwei Parlamentarier aus dem Wahlkreis Bad Tölz-Wolfratshausen legen ihre Einkünfte detailliert offen. Eine Geschichte über Sondertöpfe, Nebenverdienste und die Frage, was genau eigentlich Lobbyismus ist.

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Über Geld, speziell das monatliche Einkommen, zu sprechen, das ist vielen Menschen eher unangenehm. Doch wenn es sich um einen Volksvertreter handelt, der für diese Arbeit über Steuergelder entlohnt wird, gibt es ein berechtigtes Interesse eben jenes Volkes, das da vertreten wird. Denn welche Gelder warum wie an wen fließen, lässt Rückschlüsse darauf zu, welche Interessen da wirklich im Vordergrund stehen. Nur: Was neben den bekannten Diäten sonst noch so im Geldbeutel der Politiker landet und wofür es verwendet wird, ist nicht immer öffentlich notiert. Der Wahlkreis Bad Tölz-Wolfratshausen hat aktuell zwei gewählte Vertreter im Bundestag: Karl Bär von den Grünen und Alexander Radwan von der CSU. Beide haben sich freiwillig der Transparenz verschrieben, was ihre Einkünfte und Nebeneinkünfte angeht. Zeit also, die Versprechen auch einzulösen und das Portemonnaie offenzulegen.

"Die Ausübung des Mandats steht im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Bundestages", heißt es im sogenannten Abgeordnetengesetz. Die Volksvertreter sollen ihre Zeit und ihre Arbeitskraft vor allem den Aufgaben im Bundestag und im Wahlkreis widmen. Dafür werden sie bezahlt, aus Steuergeldern. Diese sogenannte Abgeordnetenentschädigung ist im Juli wieder gestiegen: Aktuell sind es 10 323,29 Euro brutto im Monat. Aber: Abgeordnete dürfen, solange das Bundestagsmandat im Mittelpunkt steht, trotzdem Nebentätigkeiten nachgehen. Auch das steht im Gesetz. Und genau hier beginnt ein Bereich, der sich schwer ab- und eingrenzen lässt und damit potenziell Raum bietet für Interessenskonflikte oder gar Vorteilsnahmen bis hin zu handfesten Skandalen, so wie die Maskenaffäre kürzlich.

Radwan hatte sich unmittelbar nach der Maskenaffäre 2021 bereits mit einem Statement und einer Auflistung seiner Einnahmen an die Öffentlichkeit gewandt und auf Nachfrage bestätigt, dass sich daran nichts geändert habe. Bär wiederum hatte im Wahlkampf Transparenz versprochen und legte kürzlich im Rahmen eines Pressetermins seine Einkünfte offen.

Die Höhe der sogenannten Diät - eben jenen 10 323,29 Euro brutto im Monat - ist stets öffentlich und bei beiden gleich. Weihnachts- oder Urlaubsgeld gibt es nicht, Einkommenssteuer muss abgeführt werden. Für Kranken- und Pflegeversicherung sind etwa 500 Euro im Monat fällig, den gleichen Betrag steuert der Bund bei. Rentenbeiträge zahlt Bär nicht, darf aber - wie Radwan - auf eine monatliche Pension in Höhe von rund 1000 Euro je Legislatur-Periode zählen.

Die Bahncard für die 1. Klasse hat einen Wert von 7010 Euro

Mitglieder des Bundestags haben darüber hinaus die Möglichkeit, auf Sondertöpfe zurückzugreifen. Konkret sind das laut Bär vier: So wird Abgeordneten eine Netzkarte der Deutschen Bahn in der 1. Klasse zur Verfügung gestellt, Gegenwert: 7010 Euro. Mitarbeiter muss ein Bundestagsabgeordneter nicht aus eigener Tasche bezahlen, hierfür gibt es eine Mitarbeiter-Pauschale in Höhe von bis zu 23 205 Euro im Monat. Die Abrechnung erfolgt über die Bundestagsverwaltung.

Für Bär arbeiten derzeit neun Menschen, zwei davon Vollzeit. Die dritte Möglichkeit, sich finanziell besser zu stellen, ist wiederum eine direkte Zuwendung: Abgeordnete erhalten eine "steuerfreie Aufwandspauschale" zur Ausübung des Mandats in Höhe von 4583,39 Euro monatlich. Von diesem Betrag können Mieten bezahlt, im Falle Bärs etwa die 750 Euro für die WG in Berlin, oder der Kauf eines gebrauchten Elektro-Autos finanziert werden. Eine Kontrolle über die Verwendung dieser Summe gibt es nicht. Der vierte Topf ist das sogenannte Konto für Sachleistungen (KoSa). Zusätzlich zur steuerfreien Aufwandspauschale können Bundestagsabgeordnete bis zu 12 000 Euro im Jahr hierüber geltend machen, etwa für Anschaffungen im Büro, in der IT oder eine Kaffeemaschine.

Für die Ausübung des Mandats selbst dürfen die Bundestagsabgeordneten keine anderen als die gesetzlich vorgesehenen Zuwendungen annehmen, so steht es im Abgeordnetengesetz. Würden sie das doch tun, wäre die Grenze zur Strafbarkeit schnell überschritten. Aber: Abgeordnete dürfen eben auch Nebentätigkeiten nachgehen - solange die Arbeit im Bundestag nicht darunter leidet. Tätigkeiten und Einkünfte, die auf mögliche Interessenverknüpfungen hinweisen können, müssen dem Bundestagspräsidenten angezeigt und veröffentlicht werden.

Darüber hinaus müssen alle Einkünfte ab einer Summe von 1000 Euro monatlich oder 10 000 Euro jährlich angezeigt werden. Auch die werden veröffentlicht. Dabei wird auch angegeben, von welchem Vertragspartner für welche Tätigkeit Geld geflossen ist. Diese Transparenzregeln sollen dafür sorgen, dass sich die Wählerinnen und Wähler selbst ein Bild machen können über mögliche Interessenverknüpfungen. Das schützt aber eben nicht vor einem Graubereich, in dem die Grenzen zwischen moralisch fraglich oder gar verwerflich und strafrechtlich relevant verschwimmen können. So wie bei der Maskenaffäre.

Bär erklärt hierzu kurz und knapp, dass er "keinerlei Nebeneinkünfte" beziehe. Anders Alexander Radwan: "Ich bin Of Counsel bei einer Anwaltskanzlei", sagt der. Er sei in keinem Mandat tätig, sondern berate insbesondere zu europarechtlichen Themen und deren nationaler Anwendung. "Interessenskonflikte entstehen somit nicht", betont er. "Ich war schon vor meinem Mandat in der Kanzlei tätig und möchte den Kontakt halten, um auch nach einem möglichen Ausscheiden aus der Politik noch ein berufliches Standbein zu haben", begründet er die Tätigkeit.

Hinzu kommen bei Radwan verschiedene Ämter und Engagements, die zum Großteil ehrenamtlich sind. "Für zwei Ämter, in die ich berufen oder benannt wurde, erhalte ich Entgelt", sagt er. Für das Engagement als Vertrauensmann bei der Bayerischen Landesbausparkasse wurde er von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bestellt, die auch das Entgelt festsetzt, als Mitglied des Beirats für sparkassenpolitische Grundsatzfragen beim Sparkassenverband Bayern wurde er von der CSU Landesgruppe benannt. Als Mitglied des Kreistags Miesbach erhalte er außerdem Sitzungspauschalen.

Konkret in Zahlen genannt: Als Of Counsel erhalte er 1500 Euro monatlich plus Umsatzsteuer. Als Vertrauensmann bei der Bayerischen Landesbausparkasse habe er 2020 für das erste Halbjahr 4023,30 Euro, inklusive 19 Prozent Umsatzsteuer, und für das zweite Halbjahr 3921,86 Euro, inklusive 16 Prozent Umsatzsteuer, erhalten. Als Mitglied des Beirats für sparkassenpolitische Grundsatzfragen beim Sparkassenverband Bayern erhalte er 2500 Euro jährlich, hinzu komme ein Sitzungsgeld von 400 Euro pro Teilnahme. Der Betrag sei aber auf 3700 Euro pro Jahr gedeckelt, mehr als drei Sitzungen würden also nicht entschädigt. 2020 hätten sich die Einkünfte inklusive Fahrtkosten auf 3336 Euro belaufen. Als Mitglied des Kreistags erhalte Radwan je Teilnahme an einer Fraktionssitzung oder einer Sitzung des Kreistags 100 Euro Aufwandsentschädigung.

Neben der Darlegung der Einkünfte hat Karl Bär zudem eine Liste der Interessensvertreterinnen und -vertreter veröffentlicht, mit denen er sich nicht-öffentlich in Berlin zu einem Gespräch getroffen hat - sogenannte Lobbykontakte. Vom 20. Oktober 2021 bis einschließlich 7. Juli 2022 waren das 47 solcher Treffen, überwiegend mit Bauernverbänden, Vertretern ökologischer Lebensmittelproduktionen und Umweltorganisationen. Darunter war ein Treffen mit der "International Justice Mission", dem Pflanzenschutz- und Düngemittelhersteller Sumi-Agro, dem Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD), der Klimaschutzorganisation GermanZero und dem Deutschen Falkenorden (DFO). Außerdem besuchte Bär die Party zum 20-jährigen Jubiläum des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und das Sommerfest der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Mit dem Agrarausschuss, in dem Bär Obmann ist, fährt er zudem im Herbst für zwei Wochen nach Sambia und Kenia.

Wann ist Interessenvertretung Lobbyismus?

Radwan hält bei der Frage nach Lobbyismus die Grenzziehung für schwierig, denn auch ein Bio- oder Naturschutzverband vertrete ja letztlich eigene Interessen. Auf der anderen Seite müsse man sich als Volksvertreter informiert halten, und zwar möglichst breit. Natürlich pflege er aus eben diesem Grund Kontakte, achte aber sorgsam darauf, keine Vorteile zu nehmen. Er listet die Treffen nicht auf, aber nennt Beispiele. Im Sommer etwa tourt Radwan regelmäßig durch seinen Wahlkreis und trifft sich dabei auch mit Almbauern, Vertretern des Bunds Naturschutz, der Dehoga oder regionalen Unternehmen - die alle ihre Interessen darlegen. "Für mich ist das Wahlkreisarbeit, damit ich weiß, was es für Sorgen und Nöte gibt. Ich brauche diese Eindrücke für die Arbeit."

Eine genaue Grenzziehung sei da aber oft schwierig: "Wenn ich mich mit einem Dehoga-Vertreter und einem Hotelier ohne Verbandsfunktion treffe, spreche ich ja mit beiden trotzdem über die gleichen Themen." Vorteile nehme er freilich in keinem Fall entgegen. Halt, nein, ein einziges Mal habe er heuer doch etwas angenommen, bei der Dehoga: einen Zwetschgendatschi. Dessen Gegenwert dürfte aber eher unter freundliche Geste fallen denn unter Vorteilnahme.

Radwan gibt aber zu bedenken, dass unter die Lobbyistenkontakte auch Vertreter von sogenannten Nichtregierungsorganisationen (NGO oder NRO) fallen können: "Lobbyismus ist allumfassend", warnt er. Er befürwortet deshalb die strengen Konsequenzen, die CSU und CDU aus der Maskenaffäre gezogen hätten. "Es braucht jetzt eine echte Transparenz-Offensive, um das Vertrauen in die Politik zu stärken", hatte er bereits 2021 erklärt. "Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass Teile der Politik ihr Mandat zur persönlichen Bereicherung ausnutzen." Er trage deshalb "zur Aufklärung und Transparenz gerne meinen Teil bei". Wichtig sei ihm nur, dass sich jeder Bürger oder Unternehmer stets vertrauensvoll an ihn wenden könne, "ohne befürchten zu müssen, gleich auf einer Liste aufzutauchen". Bär indes sagt, er möchte mit gutem Beispiel vorangehen - "in der Hoffnung, dass andere Abgeordnete verschiedener Parteien das auch tun".

Transparenz in der Mittelverwendung und für Treffen mit Lobbyistinnen und Lobbyisten schmälere den Raum für Korruption "und schützt vor demokratiefeindlichen Verschwörungstheorien", schließt Bär. Seine persönliche Auflistung hat er deshalb nun nicht nur ins Internet gestellt, sondern auch ins Schaufenster seines Wahlkreisbüros in Holzkirchen gehängt. Frei nach seiner Leitlinie des "gläsernen Abgeordneten".

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