Süddeutsche Zeitung

Typisch deutsch:Bitte hecheln!

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Darf man einfach so einen fremden Hund fotografieren? Über die Deutschen und ihren strengen Umgang mit dem Datenschutz.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

Ich lag am Ufer eines Sees, an dem eine Dame mit ihrem Hund spazieren ging. Der Hund sah interessant aus, also versuchte ich, ihn zu fotografieren. Bitte hecheln! Da begann er zu knurren. Und sein Frauchen rief mit bissigem Unterton: "Datenschutz!" Das Handy fiel mir fast aus der Hand. Datenwas? Ich verstand nicht, warum sie wütend war: Gehört der Hund zu einer Geheimdienstabteilung?

In Syrien fällt das Fotografieren von Tieren nicht unter den Datenschutz, selbst der Schutz personenbezogener Daten von Menschen hat keine große Bedeutung. Lediglich das Fotografieren eines Staatsgebäudes oder Eigentums von Beamten fiele unter den Vorwurf des Verstoßes gegen irgendwas mit Daten.

Hier in Bayern begegnet mir das Wort Datenschutz ständig und regelmäßig. Auf der Straße, in der Schule, am Arbeitsplatz, im Internet, im Supermarkt - und praktisch in jedem zweiten Brief. Datenschutz, welch lästiges Anhängsel, überflüssige Bürokratie. Zu dieser Überzeugung kann man leicht kommen. Völlig übertrieben, wie die Deutschen das mit ihren Daten regeln. Warum ist es verboten, Fotos mit Autokennzeichen zu veröffentlichen? Warum darf ich ein Kind auch mit 15 Jahren nicht fotografieren, ohne das Einverständnis der Eltern einzuholen?

In Syrien ist das alles erlaubt bis toleriert, es schert sich letztlich niemand darum. In der Disziplin Datenschutz übt sich das Land in Toleranz. So kann man das sehen - und so sah ich das gerade in meinen Anfangsjahren in München auch. Bis ich mich etwas detaillierter mit diesem sperrigen Begriff befasste.

"Ihr Name wurde aus Sicherheits- und Datenschutzgründen entfernt". Das liest man immer wieder. Es geht diesem System offenbar tatsächlich auch darum, die Daten der einfachen Leute zu schützen. In Syrien etwa hätte der Geheimdienst das Recht, alles über mich zu wissen, alles zu überwachen. Meinen Besitz, meine Bewegungen, meine Kontakte. Es ist die Methode der Diktatur, das einfache Volk zu kontrollieren und zu terrorisieren.

In Syrien habe ich früher in drei Wohnungen gelebt, jede in einem anderen Gebiet. Ich schlief jede Nacht in einer anderen. Ich hatte vier verschiedene Namen, damit mich der Geheimdienst nicht findet. Außer Hauses trug ich eine Burka, damit mich niemand erkennt.

In Syrien ist es Beamten und wohlhabenden Unterstützern des Regimes gestattet, Überwachungskameras an beliebigen Orten auf eigene Initiative zu installieren. Niemand, auch nicht ein betroffener Nachbar, hat das Recht, Einwände zu erheben.

In Bayern lebe ich frei, ich kann in Shorts und Badeshirt überall hingehen, ohne dass ich geheime Kameras befürchten muss. Der Hund und sein Frauchen haben damals noch kurz gefaucht, ehe sie weiterzogen. Inzwischen habe ich eine Strategie für solche Fälle: Vor dem Fotografieren um Erlaubnis fragen.

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