Süddeutsche Zeitung

Wärmstes Jahr im Alpenvorland:2022 bricht im Endspurt alle Temperaturrekorde

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An Silvester steigt das Thermometer im Fünfseenland auf über 20 Grad - das gab es wohl noch nie.

Von Armin Greune, Hohenpeißenberg

Das gerade zurückliegende Jahr war nicht nur deutschlandweit das wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Auch im Alpenvorland wurde der bisherige Temperaturrekord schon wieder übertroffen: Das meteorologische Observatorium Hohenpeißenberg verzeichnete für 2022 eine Jahresdurchschnittstemperatur von 9,3 Grad Celsius - 2,8 Grad über dem langjährigen Mittel. Bislang führten 2018 und 2020 mit je neun Grad die 243 Jahre umfassende Liste an. Auch, wenn dies nur die Beobachtung an einer einzelnen Wetterstation wiedergibt, ist sie doch von besonderer Bedeutung: Die Temperaturerfassung auf dem 1000 Meter hohen Berg reicht bis zum Jahr 1781 zurück - und dürfte so die längste, verlässliche Messreihe der Welt wiedergeben.

Das bundesweite Beobachtungsnetz des Deutschen Wetterdienstes wurde 100 Jahre später etabliert und ergab für das vergangene Jahr eine Temperatur von 10,52 Grad - 2,3 Grad mehr als im Mittel der international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990. Erst am letzten Tag entschied sich, ob 2022 den Jahresdurchschnitt von 10,45 Grad aus 2018 übertrifft und als wärmstes Jahr in Deutschland in die Annalen eingeht. Der Silvestertag aber brach schon für sich allein gesehen alle Rekorde: Auf dem Hohen Peißenberg stieg das Quecksilber bis auf 18,6 Grad - was nicht nur ein neues Tagesmaximum darstellt, sondern den höchsten Wert, der dort je im Dezember gemessen wurde. Für Silvester hatte gerade erst 2021 eine neue Rekordmarke gesetzt, die neue liegt um erstaunliche 4,1 Grad darüber. Im nur zehn Kilometer entfernten Wielenbach kletterte das Thermometer am 31. Dezember sogar auf 20,8 Grad, damit wurde die höchste je in Bayern an Silvester gemessene Temperatur erreicht. Das bisherige Tagesmaximum im Freistaat lag bei 17,0 Grad und stammte aus dem Jahr 1961. Auch die agrarmeteorologische Beobachtungsstation in Rothenfeld bei Andechs verzeichnete vor dem aktuellen Jahreswechsel einen sogenannten Wärmetag mit 20,3 Grad. Dort wurde der Spitzenwert vom 31. Dezember 2021 sogar um 6,1 Grad übertroffen.

Für den zurückliegenden weihnachtlichen Wärmeeinbruch war eine Föhnwetterlage mit Südwestströmung verantwortlich, die sich an Heiligabend im Alpenvorland durchsetzte. Die damit verbundene trockene Luft ermöglichte im Fünfseenland oft spektakuläre Ausblicke auf die Alpenkette. Dabei hatte der Dezember so begonnen, wie man es noch vor zwei Generationen vom ersten Wintermonat gewohnt war: Bis Mitte Dezember herrschte auf dem Hohen Peißenberg Frost vor, am 13. war das Jahresminimum von minus zehn Grad erreicht und die Schneedecke auf zehn Zentimeter angewachsen.

Nur an Sonne fehlte es im Dezember

"Zur Monatsmitte bildete sich eine Grenzwetterlage über Bayern aus, Warmluft traf auf Kaltluft", berichtet Diplom-Meteorologe Siegmar Lorenz, Wetterbeobachter am Observatorium: Zwischen Allgäu und Nürnberg betrug das Temperaturgefälle zwölf Grad. Ergiebiger Regen und örtlich Glatteis waren die Folge, auf dem Hohen Peißenberg schmolz der Schnee völlig weg, doch am 17. morgens lagen erneut zehn Zentimeter. Die letzte Frostnacht des Jahres war am 19., tags darauf stieg das Thermometer schon auf 12 Grad plus. Am Ende weist die Monatsbilanz des Observatoriums mit 1,2 Grad über dem Gefrierpunkt eine Mitteltemperatur auf, die um 1,7 Grad über dem langjährigen Dezembermittel liegt. Auch die Niederschläge fielen überdurchschnittlich aus: 84 Liter pro Quadratmeter entsprechen 27 Prozent mehr als im Durchschnitt der Dezember-Monate 1961 bis 1990. Nur die Sonne erfüllte ihr Soll nicht, mit 67 Stunden erreichte sie nur 80 Prozent der statistisch zu erwartenden Dauer.

Auf das gesamte Jahr betrachtet gilt freilich das Gegenteil: 2022 schien die Sonne 2263 Stunden. "Sagenhafte 24 Prozent über dem langjährigen Durchschnitt!", schwärmt Lorenz. Auch das ist auf dem Hohen Peißenberg eine absolute Rekordmarke - allerdings wird diese Messreihe erst seit 1937 erhoben. Der Jahresniederschlag summiert sich auf 1112 Liter pro Quadratmeter, was 92 Prozent des Mittelwerts von 1961 bis 1990 entspricht. In Rothenfeld verzeichnete man im Vorjahr 926 Liter pro Quadratmeter Regen und Schnee, die Sonne schien dort 2197 Stunden. An der Wetterstation von Gut Hüll bei Gilching fielen nur 792 Millimeter Niederschlag, die Sonnenscheindauer erreichte dort 2178 Stunden. Die Jahresmitteltemperatur betrug in Rothenfeld 9,7, auf Gut Hüll 10,3 Grad. Langjährige Vergleichswerte stehen für beide Standorte nicht zur Verfügung.

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