Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:Starnberger Arzt koordiniert 279 Mediziner im Landkreis

Lesezeit: 1 min

Bernhard Junge-Hülsing soll die Zusammenarbeit der niedergelassenen Haus- und Fachärzte steuern. Der Mangel an Schutzkleidung ist das größte Problem.

Von Carolin Fries, Starnberg

Am Montagabend hat bei Bernhard Junge-Hülsing das Telefon geklingelt, Landrat Karl Roth war dran. Er hat den Starnberger HNO-Arzt zum Versorgungsarzt für den Landkreis Starnberg berufen. Der 55 Jahre alte Mediziner soll im aktuellen Katastrophenfall dafür sorgen, dass sowohl mit dem Coronavirus infizierte Patienten, welche nicht stationär in die Kliniken müssen, als auch Menschen mit anderen Erkrankungen in den Praxen im Landkreis versorgt werden. "Das sollte angesichts der Überversorgung mit Haus- und Fachärzten im Landkreis Starnberg gut möglich sein", sagt Junge-Hülsing.

Insgesamt gibt es im Landkreis 60 Hausärzte und 219 Fachärzte. Wenn es nach dem Gesundheitsministerium geht, dann könnte Junge-Hülsing einige Praxen zu sogenannten Schwerpunktpraxen für die Untersuchung und Behandlung von Covid-19-Patienten machen. Ob ein entsprechender Bedarf besteht und ambulante Sprechstunden für Coronavirus-Patienten eingerichtet werden, will er mit den Ärztekollegen und der Führungsgruppe Katastrophenschutz des Landkreises besprechen. "Aktuell haben wir zwar den Katastrophenfall ausgerufen, aber noch keine Katastrophe."

Das größte Problem der Ärzte sei aktuell der Mangel an Schutzmaterial, "alle bunkern", sagt Bernhard Junge-Hülsing. Bei den niedergelassenen Ärzte kämen kaum Masken und Kittel an, "wir brauchen einen anderen Verteilungsschlüssel". Weil die Dunkelziffer der Infizierten hoch sei, sei auch die Ansteckungsgefahr für Ärzte und Arzthelfer groß. In Starnberg habe wegen infizierten Personals bereits eine Praxis schließen müssen, im Nachbarlandkreis Fürstenfeldbruck ebenso. "Die Sorge der Ärzte ist groß, jeder versucht Schutzmaterial zu kriegen, um weiterarbeiten zu können." Denn in vielen Fällen gehe es auch bei den Ärzten ums wirtschaftliche Überleben. "Die Patientenzahlen haben sich halbiert, in vielen Praxen bricht mit dem Ausbleiben von Vorsorgeuntersuchungen oder verschobenen Eingriffen das finanzielle Fundament weg." Mieten und Personal müssten schließlich weiter bezahlt werden. Junge-Hülsing hat sein Praxispersonal bereits auf Kurzarbeit gesetzt, das Ärzteteam arbeite nunmehr in drei Schichten. "So habe ich Zeit für die neue Aufgabe", sagt er.

Als Vorsitzender des Zulassungsausschusses in Oberbayern und Landesvorsitzender der HNO-Ärzte in Bayern kennt Junge-Hülsing die Strukturen und Ansprechpartner. Für den Ärztlichen Kreisverband (ÄKV) Starnberg setzt er sich als Delegierter in der Landesärztekammer ein. Er ist überzeugt, dass es "Deutschland nicht so schwer erwischt" und begründet das mit dem guten Haus- und Facharztsystem. Hierzulande kämen vier Ärzte auf 1000 Einwohner, in China seien es statistisch nicht einmal zwei Mediziner.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4865037
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 02.04.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.