Süddeutsche Zeitung

Rauschgift:Staatsanwälte warnen vor tödlichen Folgen von "Legal Highs"

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Von Thomas Schmidt

Sie tragen fröhliche Namen, heißen Bonzai Summerboost, Jamaican Spirit oder schlicht Boom. In jedem der bunten Plastiktütchen stecken ein paar Gramm Kräutermischungen, von denen Internethändler gern behaupten, sie seien legal. Erstens ist das oft eine Lüge. Und zweitens sind die chemischen Stoffe alles andere als harmlos. "60 bis 70 Prozent aller Drogenkonsumenten nehmen Legal Highs", schätzt die Münchner Oberstaatsanwältin Susanne Wosylus.

Die Gefahr durch die Droge werde häufig drastisch unterschätzt, sie sei billig und einfach zu erwerben und die Ermittler seien den Herstellern aufgrund einer Gesetzeslücke oft einen Schritt hinterher. In München habe es bereits mehrere Todesopfer gegeben.

Hunderte Fälle zu Legal Highs liegen derzeit auf den Schreibtischen der Münchner Staatsanwaltschaft, und laut Wosylus werden es immer mehr. Die Juristin spricht von "Teufelszeug", von einem "Pendant zu Crystal". Hergestellt werde die Droge meist in China. Trägerstoffe wie harmloses Oregano werden mit einer Chemikalie besprüht, die winzige Kristalle ausbildet. Das Gemisch wird dann geraucht. Über Großhändler in England oder den Niederlanden gelange der Stoff nach Deutschland und letztlich auch nach München.

Dass die Kräuter inzwischen so beliebt sind, hat viele Ursachen - eine davon ist wohl der steigende Marihuana-Preis: Die immer häufigeren Kontrollen durch die Münchner Polizei hat den Straßenhandel mit Gras erschwert. Die Preise haben sich laut Wosylus auf bis zu 20 Euro pro Gramm verdoppelt. Eine Konsumeinheit Kräuter gebe es hingegen schon für einen Euro. Außerdem fühlten sich die Kunden sicherer, wenn sie bequem am Computer bestellen, anstatt sich in einer düsteren Nische mit einem Dealer zu treffen. Nicht zuletzt würden viele auf die scheinbare Legalität hereinfallen. "Sie denken: Wenn der Stoff gefährlich wäre, würde der Staat ihn verbieten", erklärt Wosylus.

Oft ist der Konsum tatsächlich legal - eine Zeitlang. Damit ein Stoff verboten wird, müssen Behörden dessen Gefährlichkeit nachweisen. Bis die notwendigen Gutachten und Anträge fertig sind, vergehen Monate. Das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz von Ende 2016 bereite "in der praktischen Anwendung große Schwierigkeiten", kritisiert Wosylus. Auch weil es den Besitz nicht unter Strafe stellt, sondern nur den Handel. Um den Verkauf zu verbieten, muss der Stoff unter das Betäubungsmittelgesetz fallen - und dafür müssen wieder Gutachten und Anträge erstellt werden. Doch ist die Mischung endlich illegal, ändert der Hersteller eine Kleinigkeit in der Rezeptur und alles geht von vorne los.

Trotz solcher Schwierigkeiten kann die Münchner Staatsanwaltschaft Erfolge verbuchen: Bereits im Mai fing der Zoll ein UPS-Paket aus Holland ab. Der Inhalt: 600 Gramm Legal Highs. Die Lieferung war für einen Münchner gedacht, der unter dem Namen "Kräuterkumpelz" einen Internethandel betrieb. Ermittler stellten 1,3 Kilo Kräutermischungen sicher. Der Prozess soll bald beginnen.

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Quelle:
SZ vom 06.10.2017
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