Süddeutsche Zeitung

Jazz:Unter den Wolken

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Pat Metheny spielt in der Isarphilharmonie mit Musikern, die ihm nicht gewachsen sind.

Von Andrian Kreye, München

Pat Metheny ist einer der größten Gitarristen aller Zeiten. Er hat die Grenzen seines Instruments gesprengt, weswegen er sich eines bauen ließ, das mit ihm mithalten kann. Das ist die Pikasso-Gitarre, ein Monstrum mit 42 Saiten, mit dem er das Konzert unbegleitet begann. Da ließ er die Ambivalenz seines Gesamtwerkes funkeln, das zwischen überharmonisierter Fusion und dem Freiheitsbegriff seines Vorbildes Ornette Coleman enorme Spannung schaffen kann.

Metheny hat aber auch das Vokabular des Jazz an sich erweitert, indem er ihn von den Diktaten der Synkope und des Blues befreite und ein ganz eigenes Schwebegefühl entwickelte. Seine neue Gruppe Side-Eye ist ein Experiment, für das er immer neue junge Musiker in ein Trio holt. Mit dem Keyboarder James Francies und dem Drummer Marcus Gilmore ist ihm so eine der besten Platten seiner Laufbahn gelungen. Da stimmt die Balance zwischen diesem Sommerflirren in den Akkorden und dem Ausbruch in freie Gefilde und sperrige Linien. In München begleiteten ihn allerdings Chris Fishman und Joe Dyson Jr., die weder Metheny, noch dem Werk gewachsen waren.

Fishman füllte den unteren Frequenzbereich mit unbeholfenen Keyboard-Imitationen einer bundlosen Bassgitarre, brachte in den Soli kaum einen Ideenbogen zustande. Dyson scheiterte an Methenys Methode, Rhythmen in Wolken aufzulösen, und rettete sich in Phrasen und Synkopen, die eher bremsten. Metheny machte ihnen das Leben leicht und spielte fast nur Hits für den Applaus. In den besten Momenten war der Abend eine Meisterklasse, die zeigt, wie weit der Weg zu wahrer Größe ist. Viel zu oft aber erinnerte das Konzert an die Nostalgie-Touren von "Classic Rock"-Bands, bei denen zwei, drei überlebende Mitglieder die alten Gassenhauer mit Studiomusikern abnudeln. Stehende Ovationen gibt es da trotzdem. Das Material hält das vor dem Hintergrund der Jugenderinnerungen schon aus. Und Side-Eye wäre kein Experiment, wenn da nicht Raum zum Scheitern wäre.

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